Off-Label Medikamente: was man darüber wissen sollte

Die Europäische Arzneimittelagentur (EMA) und auf nationaler Ebene das Paul-Ehrlich-Institut (PEI) lassen Medikamente für bestimmte Erkrankungen zu. Wenn ein Arzt ein Medikament außerhalb der dafür zugelassenen Indikationen verschreibt, oder für eine andere Erkrankung oder in einer anderen Dosierung, als von den Instituten genehmigt wurde, dann wird das Medikament zum „off-label“. Was viele, die solche Medikamente von ihren Ärzten verschrieben bekommen, nicht wissen, ist, dass die Herstellerhaftung für tödliche oder gesundheitlich erhebliche Schäden bei einem Off-Label-Einsatz entfällt. Haftbar ist der verordnende Arzt für eventuelle Schäden und das in vollem Umfang. Ein interessanter Punkt, der möglicherweise nicht ausreichend kommuniziert wird, siehe z.B. Covidimpfungen.

➥ Autor: Barbara M. Thielmann

Was man über den Off-Label-Gebrauch von Medikamenten wissen sollte

Off-Label-Verschreibungen sind weit verbreitet. Die EMA ist die für die Zulassung und Legalisierung von Arzneimitteln in Europa zuständige Behörde. Im nationalen Verfahren nach den §§ 21ff. des Arzneimittelgesetzes (AMG) beurteilt das Paul-Ehrlich-Institut (PEI) – unabhängig von anderen europäischen Zulassungsbehörden – die Qualität, Wirksamkeit und Unbedenklichkeit der zur Zulassung beantragten Arzneimittel. Diese Verfahrensart kommt in der Regel nur für Arzneimittel infrage, die noch keine Zulassung in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union (EU) oder des Europäischen Wirtschaftsraumes (EWR) besitzen.

Damit ein Medikament von der EMA zugelassen werden kann, muss das Unternehmen, das es herstellt, bestimmte Informationen an die EMA übermitteln. Dazu gehören Informationen über klinische Studien zu folgenden Punkten:

  • Gesundheitszustände, die das Medikament wirksam behandeln kann
  • die Dosierung, die Menschen sicher einnehmen können
  • die Bevölkerungsgruppen, an denen das Medikament getestet wurde, wie Erwachsene, Frauen oder Kinder
  • Beweise dafür, dass das Medikament sicher und wirksam ist, einschließlich der unerwünschten Ereignisse und Nebenwirkungen, die es verursachen kann

Nach Angaben der Agency for Healthcare Research and Quality werden z. B. ca. 20 % aller Verschreibungen in den Vereinigten Staaten für einen Off-Label-Gebrauch ausgestellt. Etwa 80 % der in Deutschland zugelassenen Medikamente sind nicht für Kinder zugelassen. 13 % aller ambulanten und 90 % aller stationären Verschreibungen erfolgen daher als Off-Label-Einsatz. Weitere Fachgebiete, in denen häufig ein Off-label-Use erfolgt, sind die Onkologie und die Neurologie.

Ein Off-Label-Use ist nur in Ausnahmefällen eine Leistung der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV).

Die Einnahme eines Arzneimittels für eine Off-Label-Verwendung kann sicher und wirksam sein. Sie kann jedoch auch mit Risiken verbunden sein.

Foto: @gpointstudio via envato.elements

Warum verschreiben Ärzte sie?

Wenn die entsprechende Behörde (national und/oder international) das Arzneimittel genehmigt hat, können Ärzte es ihren Patienten verschreiben. Allerdings kann ein Arzt das Medikament nicht nur für die genehmigten Anwendungen verschreiben. Ärzte können Medikamente auch für andere Zwecke verschreiben, wenn sie der Meinung sind, dass dies für den Patienten von Vorteil ist.

Im Folgenden sind einige Gründe aufgeführt, warum ein Arzt ein Arzneimittel für den Off-Label-Gebrauch verschreiben kann:

  • Es gibt kein von der EMA/PEI zugelassenes Medikament zur Behandlung der Erkrankung eines Patienten.
  • Die von der EMA/PEI für ein bestimmtes Leiden zugelassenen Arzneimittel haben sich bei der betreffenden Person als nicht wirksam erwiesen.
  • Die von der EMA/PEI für ein bestimmtes Leiden zugelassenen Arzneimittel sind zu teuer oder aus anderen Gründen nicht erhältlich.
  • Die Person kann das von der EMA/PEI zugelassene Medikament aufgrund von Nebenwirkungen oder möglichen Wechselwirkungen mit anderen Medikamenten, die sie einnimmt, nicht einnehmen.
  • Der Arzt hat Beweise dafür gesehen, dass ein bestimmtes Medikament für eine bestimmte Off-Label-Anwendung gut funktioniert.

Foto: @prostooleh via envato.elements

Beispiele für den Off-Label-Einsatz von Medikamenten

Ärzte verschreiben viele verschiedene Arzneimittel für den Off-Label-Gebrauch. In der Vergangenheit haben sich einige Off-Label-Anwendungen als unwirksam oder schädlich erwiesen. Andere haben sich aber als wirksam und sogar als lebensverändernd erwiesen.

Auch ohne EMA-Zulassung kann es zum Beispiel seriöse klinische Studien und andere Belege dafür geben, dass ein Medikament für eine Off-Label-Anwendung gut funktioniert.

Dies kann der Fall sein, wenn der Arzneimittelhersteller aus Kostengründen oder wegen fehlender Ressourcen auf weitere Zulassungen verzichtet oder wenn die EMA die Zulassung des Arzneimittels bereits beantragt, aber noch nicht abgeschlossen hat.

Die Verschreibung von Arzneimitteln außerhalb des zugelassenen Bereichs ist jedoch nicht immer sicher. Dies gilt insbesondere dann, wenn es an Beweisen für die Off-Label-Verwendung eines Arzneimittels mangelt.

Foto: @GeorgeRudy via envato.elements

Was unbedingt zu beachten ist, wenn man sich entscheidet, ein off-label zu nehmen

Wenn du mit deinem Arzt über die Verwendung von Arzneimitteln außerhalb der zugelassenen Indikationen sprichst, solltest du die folgenden Punkte beachten:

  • Hat die EMA oder das PEI untersucht, wie gut das Medikament bei dem jeweiligen Gesundheitszustand wirkt?
  • Gibt es stichhaltige medizinischen Beweise, die die Verwendung des Medikaments für die betreffende Erkrankung unterstützen?
  • Können bei Menschen mit deiner Erkrankung während der Einnahme des Medikaments besondere Nebenwirkungen auftreten? Wenn ja, welche?

Du solltest dir auch darüber im Klaren sein, dass Ärzte nicht verpflichtet sind, einem Patienten mitzuteilen, wenn sie ein Medikament „off-label“ verschreiben.

Aus diesem Grund solltest du deinem Arzt generell immer folgende Fragen stellen, wenn du zum ersten Mal ein verschreibungspflichtiges Medikament erhältst:

  • Wofür ist dieses Medikament zugelassen?
  • Welche Vorteile hat die Einnahme dieses Medikaments gegenüber einem anderen Medikament, das für meine Erkrankung zugelassen ist?
  • Welche wissenschaftlichen Beweise gibt es dafür, dass dieses Medikament bei meiner Erkrankung wirken könnte?
  • Mit welchen Ergebnissen muss ich rechnen, wenn ich dieses Medikament nehme?
  • Welche Nebenwirkungen hat das Medikament?
  • Welche Dosierung sollte ich einnehmen?
  • Gibt es Wechselwirkungen zwischen diesem Medikament und anderen Medikamenten, Nahrungsergänzungsmitteln oder Kräutern, die ich einnehme?
  • Welche anderen Möglichkeiten gibt es zur Behandlung meiner Erkrankung?
  • Ist das Mittel ethisch vertretbar?

CAVE: Ärzte können von der EMA/PEI zugelassene Medikamente für Zwecke verschreiben, die nicht auf dem Etikett angegeben sind, wenn sie dies für angemessen und vorteilhaft für den Patienten halten.

Foto: @DC_Studio via envato.elements

Zusammenfassung

Es mag viele Gründe geben, warum ein Arzt ein Medikament außerhalb der Zulassung verschreibt. Die Einnahme eines nicht zugelassenen Medikaments kann von Vorteil sein, birgt aber ebenso Risiken. Als Betroffener solltest du die möglichen Vorteile und Risiken mit deinem Arzt besprechen, bevor du ein neues Medikament außerhalb der Zulassung einnimmst oder dir spritzen lässt.

Hier noch ein rechtlicher Hinweis zu unlicensed use (Quelle)

1. Definition

Unter Unlicensed Use versteht man im Arzneimittelrecht die Therapie mit einem Arzneimittel, das im Land der Anwendung keine Arzneimittelzulassung besitzt.

2. Hintergrund

Ein Unlicensed Use liegt z.B. vor, wenn ein Arzneistoff gar nicht zugelassen ist oder ein Fertigarzneimittel eingesetzt wird, das nur außerhalb des Importlandes eine Zulassung besitzt. Die Behandlung mit nicht zugelassenen Prüfpräparaten außerhalb klinischer Studien ist ebenfalls ein Unlicensed Use.

Der Unlicensed Use hat für den behandelnden Arzt haftungsrechtliche Konsequenzen, da er als strafbare Körperverletzung gewertet werden kann.

Dieser kurze Artikel soll zu eigenen Recherchen anregen, um eigenverantwortliches Handeln zu fördern. Nicht umsonst heißt es: Wissen ist Macht. Wer kein Wissen hat, ist ohne Macht oder ohnmächtig. Wohin das führen kann, sehen wir ja nun in Post-Covid-Zeiten. Und wir sehen immer noch nur die Spitze des Eisberges!

Foto: @DragonImages via envato.elements

Hinweis: Seit 1948 schwören Ärzte keinen Hippokratischen Eid mehr. Sie sprechen das vom Weltärztebund 1948 in Genf beschlossene „Genfer Gelöbnis“, welches seitdem mehrfach revidiert wurde und die Neufassung der ärztlichen Berufspflichten benennt. Ein Gelöbnis ist kein geschworener Eid. Denn ein Eid wird zwischen dem Menschen und Gott geschworen, nicht, wie in einem Gelöbnis bei dessen „Ehre gelobt“.

Hier zum selber Nachlesen und nachdenken! Offizielle deutsche Übersetzung der Deklaration von Genf autorisiert durch den deutschen Weltärztebund (Oktober 2017)

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Die in diesem Beitrag enthaltenen Informationen können die Beratung durch einen Arzt nicht ersetzen – sie sind keine medizinischen Anweisungen. Die Informationen dienen der Vermittlung von Wissen und können die individuelle Betreuung bei einem Sprechstundenbesuch nicht ersetzen. Die Umsetzung der hier gegebenen Empfehlungen sollte deshalb immer mit einem qualifizierten Therapeuten abgesprochen werden. Das Befolgen der Empfehlungen erfolgt auf eigene Gefahr und in eigener Verantwortung

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