Der Contergan-Skandal ist eines der dunkelsten Kapitel der Medizingeschichte – ein unfassbares Verbrechen, das Tausende unschuldige Leben zerstörte. Ein Medikament, das als sicheres Schlaf- und Beruhigungsmittel angepriesen wurde, stellte sich als tückisches Gift heraus, das unzählige Kinder mit schwersten Missbildungen zur Welt kommen ließ. Doch was diesen Skandal noch erschreckender macht, ist das Verhalten der Pharmaindustrie: systematische Vertuschung, skrupellose Profitgier und der kalte Verrat an den Opfern. Was damals geschah, ist längst nicht nur Geschichte – die Mechanismen, die hinter Contergan standen, wirken bis heute in der Pharmaindustrie fort. Dieser Artikel deckt auf, welche Parallelen sich bis in die Gegenwart ziehen lassen und warum Contergan uns eine Warnung sein muss.
➥ Autor: Jana Witschetzky
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Das „Wundermedikament“ Contergan, das eine Generation zerstörte
1957 brachte die Grünenthal GmbH ein scheinbar harmloses Beruhigungsmittel auf den Markt: Contergan. Es sollte helfen, den Schlaf zu verbessern, Ängste zu lindern und sogar Schwangerschaftsübelkeit zu bekämpfen. Millionen Menschen griffen zu, die Ärzte empfahlen es bedenkenlos. Es gab keine Warnungen.
Doch in Wahrheit war das Mittel ein tödlicher Cocktail, der das Schicksal tausender ungeborener Kinder besiegelte. Die Folgen waren verheerend: Babys kamen mit fehlenden Gliedmaßen zur Welt, mit verkrüppelten Armen und Beinen, mit deformierten Gesichtern und inneren Missbildungen, die sie nicht überleben konnten. Während die Pharmaindustrie Milliarden verdiente, zahlten die Opfer den ultimativen Preis – mit ihrem Leben.
Ein Nazi-Wissenschaftler und seine teuflische Erfindung
Hinter Contergan stand ein Mann mit einer düsteren Vergangenheit: Dr. Heinrich Mückter. Während des Zweiten Weltkriegs experimentierte er mit Medikamenten an KZ-Häftlingen – oft mit tödlichem Ausgang. Nach dem Krieg wurde er nicht etwa bestraft, sondern von der deutschen Pharmaindustrie willkommen geheißen.
Mückter wurde Forschungsleiter bei Grünenthal – und entwickelte dort das, was später als eines der tödlichsten Medikamente in die Geschichte eingehen sollte: Thalidomid, den Wirkstoff von Contergan. War ihm bewusst, was er tat? Dokumente zeigen, dass die Firma bereits früh über ernste Nebenwirkungen Bescheid wusste. Doch anstatt zu handeln, tat Grünenthal alles, um die Wahrheit zu vertuschen.

Die ersten Alarmsignale – und das mörderische Schweigen der Industrie
Schon Ende der 1950er-Jahre gab es Hinweise darauf, dass Contergan gefährlich sein könnte. Patienten klagten über taube Gliedmaßen, Nervenschäden, unerklärliche Schmerzen. Doch niemand verband diese Symptome mit dem Medikament – bis es zu spät war.
Der Hamburger Arzt Widukind Lenz erkannte als einer der Ersten, dass es einen Zusammenhang zwischen Contergan und den schweren Missbildungen gab. Er schlug Alarm. Doch was tat Grünenthal? Anstatt das Mittel sofort vom Markt zu nehmen, versuchte die Firma, ihn zu diskreditieren. Interne Dokumente zeigen, dass die Pharmaindustrie absichtlich Zeit schinden wollte, um ihren Profit zu maximieren. Grünenthal setzte auf gezielte Lügenkampagnen, um die Öffentlichkeit zu beruhigen. Erst 1961 – vier Jahre zu spät – wurde Contergan zurückgerufen. Tausende Kinder hätten gerettet werden können. Doch die Pharmaindustrie entschied sich für das Geld.
Die Vertuschungsstrategie zu Contergan von Grünenthal
Grünenthal wusste genau, dass Contergan eine Katastrophe war. Doch anstatt Verantwortung zu übernehmen, verfolgte das Unternehmen eine bewusste Strategie der Vertuschung. Interne Memos zeigen, dass man schon vor dem offiziellen Rückruf wusste, dass das Medikament Missbildungen verursachte. Doch es galt, Zeit zu gewinnen. Warum? Um noch möglichst viele Packungen zu verkaufen, bevor der Skandal öffentlich wurde.
Man manipulierte wissenschaftliche Studien, bezahlte Mediziner für Gefälligkeitsgutachten und sorgte dafür, dass kritische Stimmen in der Fachwelt nicht gehört wurden. Dieses Muster der Manipulation ist bis heute Standard in der Pharmaindustrie.
Kein einziger Täter wurde im Contergan-Skandal verurteilt – ein Freibrief für die Pharmaindustrie?
Man könnte glauben, dass nach einer solchen Katastrophe zumindest die Verantwortlichen bestraft wurden. Doch die Realität ist ein Schlag ins Gesicht der Opfer: Der Strafprozess gegen Grünenthal begann erst 1968 – sieben Jahre nach dem Skandal. Doch er wurde 1970 eingestellt – ohne ein einziges Urteil. Kein Manager, kein Forscher, kein Verantwortlicher musste sich für diesen Massenmord verantworten. Stattdessen wurde eine lächerliche Entschädigung gezahlt – doch selbst die wurde erst nach massivem öffentlichen Druck bewilligt. Die Pharmaindustrie hatte einmal mehr bewiesen, dass sie unantastbar ist.

Die Parallelen zur Gegenwart: Moderne Pharma-Skandale
Hat sich etwas geändert? Nein. Die Pharmaindustrie spielt weiter mit Menschenleben. Der Fall Contergan ist längst nicht der letzte Skandal.
- Der Opioid-Skandal in den USA zeigt, wie Pharmakonzerne gezielt eine Medikamentensucht in der Bevölkerung förderten.
- Impfstoffe und neue Medikamente werden oft mit unzureichenden Langzeitstudien auf den Markt gebracht.
- Profit steht weiter über der Gesundheit der Menschen.
Fazit: Ein Verbrechen, das sich jederzeit wiederholen kann
Die Geschichte von Contergan ist nicht vorbei. Sie ist eine Warnung. Eine Mahnung, niemals blind der Pharmaindustrie zu vertrauen. Denn die Wahrheit ist: Solange Profit über Menschenleben gestellt wird, sind wir alle potenzielle Opfer.
Lasst uns wachsam bleiben. Lasst uns kritisch hinterfragen. Lasst uns verhindern, dass sich Contergan wiederholt.
Quellenverzeichnis