Ergibt es Sinn, zu Fleischersatzprodukten zu greifen? Wie gesund sind diese für Dich und wie steht es um die Ökobilanz? Welt der Gesundheit hat herausgefunden: Es gibt gute und weniger gute Produkte. Hier einige Tipps, die rund um das Thema hilfreich sind und die zu einer gesunden Ernährung beitragen können.
➥ Autor: Andreas Müller-Alwart
Ohne jeden Zweifel hat die Umstellung auf eine überwiegend vegetarische Ernährung viele Vorteile – auch die vegane Ernährung kann vorteilhaft sein. Letztlich muss dies jeder für sich selbst überprüfen und vor allem seinen eigenen Weg finden. Manch einer hat vielleicht einen Schlachthof von innen gesehen und ist auf einen Schlag zum Vegetarier geworden, manch anderer befindet sich in einer länger andauernden Umstellungsphase und ist Flexitarier. Die Reduktion von tierischen Produkten in der Ernährung erleben viele Menschen als wohltuend, gesundheitsfördernd und regelrecht heilsam.
Bei wem kaufst Du ein?
An diesem Trend kommen Unternehmen, die führend in der Nahrungsmittelbranche sind, nicht vorbei, wenn sie führend bleiben wollen. Gleichzeitig gibt es jede Menge engagierter Menschen, die in Start-ups – z. B. per Crowdfundings – gesunde Nahrungsmittel mit Herzblut platzieren. Kurzum: Innerhalb kürzester Zeit ist zunächst der Markt an „Bioprodukten“ explodiert und das Angebot an vegetarischer und veganer Ernährung füllt nicht nur in Biomärkten neuerdings einige Regalmeter. Allerdings fallen dabei mehrere Effekte sofort negativ auf: Zum einen stellt sich die Frage, ob ich als Verbraucher nun eine Firma unterstützen möchte, die jahrzehntelang eine Wurstmarke vermarktet hat, die jetzt als vegetarische Variante auf den Markt kommt. Ob Du das tun möchtest, hängt von der Motivation ab: Geht es Dir „nur“ um Deine gesunde Ernährung oder auch um den Aufbau eines dezentralen, fairen Marktplatzes?
Wie hältst Du es mit der Verpackung?
Dann fällt auf, dass manche biologische Produkte mit einem Verpackungsvolumen daherkommen, was sie per se schon wieder infrage zu stellen scheint. So sind Tofu-Würstchen, Jack-Fruit-Steaks und viele andere Lebensmittel vakuumiert in Kunststoffen verpackt, um sie haltbar zu machen. Natürlich darf auch der Umkarton mit dem Brand und den Verbraucherinformationen nicht fehlen. Hier kannst Du Dir die Frage stellen: Will ich Bioprodukte – egal welcher Art – in Kunststoff eingeschweißt kaufen? Möchte ich diese nicht lieber offen erwerben? Inwieweit wurden diese Produkte darüber hinaus noch haltbar gemacht, damit sie Lagerung und Transport gut überstehen? Kurzum: Wie viel „Bio“ – also „Leben“ – ist da noch enthalten? Schließlich willst Du Dich ja nicht nur vegan oder vegetarisch ernähren, sondern vor allem werthaltige Nährstoffe zu Dir nehmen, oder?
Geht es Dir nur um gesunde Ernährung oder auch die Öko-Bilanz?
Bei veganen bzw. vegetarischen Produkte gilt ernährungsökologisch das Gleiche wie für alle anderen angebotenen Lebensmittel auch: Saisonal und regional gekauft sind sie am besten. Während das für Trendfood wie z. B. die Jack Fruit oder Quinoa nicht zutrifft, ist das bei Tofu differenziert zu betrachten. Bei Soja gibt es einen weit verbreiteten Anbau in Deutschland – übrigens nur zu 15 % für vegane Ernährung, der Rest ist Tierfutter – und Hersteller, die nur dieses Soja verwenden. „Der Ruf der Jack Fruit als super-gesunder Fleischersatz ist zwar nicht falsch, aber schon auch etwas marktschreierisch. Wie bei Avocado gilt daher: Nur wer damit wirklich Fleisch ersetzt, fährt ökologisch tatsächlich besser. Wer es sich nur aus Trend-Gründen oder für angebliche Superfood-Nährwerte auf den Teller legt, findet ökologischere Alternativen. (1)
Brauchst Du Kaviar, Eier und den Fleischsalat?
Lassen wir mal für einen Moment die ernährungsökologischen Aspekte beiseite und schauen, was uns die Convenience-Produkte – also Fertigprodukte – so offerieren. Da sind die vielen eingeschweißten veganen „Wurstwaren“, fleischähnliche Grillwürste und Schnitzel, Burgerpatties unterschiedlichster Ausgangsprodukte und selbst an Fleischsalat, Kaviar und Eier wagt sich die Branche heran. Jetzt kannst Du Dir überlegen, ob Du, wenn Du Veganer oder Vegetarier bist, unbedingt ein Produkt wie „Fleischsalat“ benötigst, wenn Du aus Überzeugung kein Fleisch isst. Um es auf den Punkt zu bringen: Ist es eine gelungene und vollständige Ernährungsumstellung, wenn eine leckere Linsenpattie als „Burger“ daherkommt? Offensichtlich will uns die Branche somit die Umstellung leichter machen und knüpft an die bestehende Konditionierung an. Wenn es denn bei der Umstellung wirklich hilft, so soll daran nicht herumgemäkelt werden.
Was wird so verarbeitet als Fleischersatz?
Eines ist jedenfalls sicher: Die Produkte haben sich längst von der Einsilbigkeit extrudierten Soja und Seitan (Weizeneiweiß) verabschiedet. Proteine aus Sonnenblumenkernen, Erbsen oder Lupinen sind immer gebräuchlicher. „Nicht selten sind Erfindungsreichtum und enormer technologischer Aufwand erforderlich, um Aussehen, Geschmack und Textur der tierischen Produkte nachzustellen.“ (2) Es handelt sich deswegen oft um sogenannte UPFs (Ultra-processed Foods), also hoch verarbeitete Lebensmittel (Fälschen, täuschen, panschen – Die Tricks der Lebensmittelbetrüger). „Einige Eigenschaften wie die Konsistenz von Fleisch sind den tierischen Produkten geschuldet. Diese können durch pflanzliche Rohstoffe nicht vollständig imitiert werden.“ (2). Somit wird schon im Ansatz klar: Eine gesunde Ernährung verzichtet auf hoch verarbeitete Lebensmittel – bei Fleischersatz ist die Verarbeitung aber sehr aufwändig. Ausnahme: Wenn deutliche Abstriche bei der Konsistenz und/oder dem Geschmackserlebnis gemacht werden. Da darfst Du Dich dann fragen, was das soll. Dann doch lieber gleich eine selbstgemachte Linsenbolognese, die – dafür bürgt der Autor dieser Zeilen – kaum von einer echten Soße Bolognese zu unterscheiden ist.
Etikettenstudium: Vertrauen ist gut – Kontrolle ist besser
Eine gesunde Ernährung und Fertigprodukte stehen – fast immer – in einem gewissen Widerspruch. Der Anteil an Fertigprodukten – auch veganen/vegetarischen – sollte deswegen immer möglichst gering sein. Was Du regional und saisonal einkaufst, ist in der Regel frisch und wirkt frisch zubereitet am sinnvollsten. Und Du brauchst kein „Etikettenstudium“ zu betreiben, sparst Verpackung und kaufst fair trade, wenn Du beim Hofladen einkaufst. Bei Fertigprodukten kann man darauf vertrauen, dass sie ebenfalls mit Herz und Verstand produziert wurden. Aber glaubst Du das wirklich – vor allem bei großen Herstellern, die jahrzehntelang diesen Trend zu gesunder, tierfreundlicher Nahrung verschlafen haben?
Wie ein „Press-Steak“ entsteht
Schauen wir uns mal so ein Press-Steak an: Irgendeine Masse aus isoliertem Protein aus Erbsen, Weizen, Kartoffeln oder Sojabohnen wird unter hohem Druck und bei hohen Temperaturen zu einer fleischähnlichen Textur geformt. Hinzu kommen Aminosäuren, Enzyme, Raucharoma und Hefeextrakt, um den fleischähnlichen Geschmack zu erzeugen. Oftmals werden noch Aromastoffe und pflanzliche Hämoproteine hinzugefügt. Für die rötliche Farbe darf wieder die Rote Beete Sorge tragen. Tipp unserer Redaktion an dieser Stelle. Achte einmal auf den Salz- und Zuckergehalt in diesen Fertigprodukten. Da Salz und Zucker immer gerne als Geschmacksträger eingesetzt werden – vor allem, wenn tierische Fette fehlen und diese Aufgabe nicht erfüllen können – ist häufig auffallend viel Salz bzw. Zucker drin: Der Zucker kommt oft nicht als solcher daher, sondern versteckt sich als Glucose, Maltose, Dextrose, Glucosesirup usw. (Zum Thema Zucker findest Du viele weitere Berichte auf unserer Website, z. B. Guter Zucker – böser Zucker: Bis zum bitteren oder heilsamen Ende). Manchmal wird zusätzlich Fett als Geschmacksträger hinzugefügt. Und – was man so nicht erwarten würde – auch Stabilisatoren und Emulgatoren kommen zum Einsatz.
Ergebnisse einer Studie zu „Fleischprodukten“
Eine umfangreiche Studie im Auftrag der Albert Schweitzer Stiftung hat zwar ergeben, dass die pflanzlichen Fleischersatzstoffe besser als reine Fleischprodukte sind, aber durch die Verarbeitung werden die Pluspunkte zunehmend verwässert. „Untersucht wurden hier 80 Ersatzprodukte wie Bratwürste, Burger, Lyoner, Schnitzel, Geschnetzeltes, Nuggets, Salami, Steak, Brühwürstchen, Filet und Gyros.“ (2) Leider zeigte sich, dass auch die Alternativprodukte einen hohen Anteil an gesättigten Fetten enthalten können. Auffällig sind auch zeitweise höhere Anteile von Kokos- und Palmfett. „Ein konventionell-vegetarisches Würstchen enthielt mit 22 die meisten und ein bio-veganes Produkt mit sechs die wenigsten Zutaten.“ (2). Also wieder die Erkenntnis: Ohne Studium des Produktetikettes kannst Du nicht sicher sein, was Du da gerade kaufst.
Auf diese drei Zusatzstoffe solltest Du besonders achten:
So wird häufig Methylcellulose (E461) verwendet, die aus Cellulose synthetisiert wird und die vor allem zur Volumenvergrößerung verwendet wird – vor allem bei Soßen und Überzugsmitteln. Ab 6 Gramm wirkt die Substanz nachweislich abführend und steht laut europäischer Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) im Verdacht, das Mikrobiom zu beeinträchtigen: Entzündungen an der Darmwand könnten auftreten. In Bio-Lebensmitteln ist E461 deswegen verboten. Also wird neuerdings E464 (Hydroxypropylmethylcellulose) verwendet, das aus natürlicher Cellulose gewonnen wird. Da die Struktur ähnlich zu E461 ist, dürfte auch der Effekt im Darm der gleiche sein.
Auch Carrageen (E407) haben Verbraucherzentralen häufiger vorgefunden, das ebenfalls als niedermolekulares Carrageen den Darm schädigen kann. Im Raum stehen auch weiterhin mögliche allergische Reaktionen auf Carrageen, die bislang weder widerlegt noch belegt werden konnten. Du solltest diese Zusatzstoffe meiden und auf Produkte anderer Hersteller zurückgreifen.
Fazit: Fleischersatz – ab und an gerne, aber nicht dauerhaft
Aufgrund der grundsätzlichen und speziellen Überlegungen zu veganen und vegetarischen Produkten, kommt die Ernährungswissenschaftlerin Jacqueline Hoffmann in der „Fachzeitschrift für Gesundheitsförderung – UGB Forum“ zu einem deutlichen Fazit: „Immer mehr Studien deuten darauf hin, dass ein höherer Anteil von hoch verarbeiteten Produkten in der Ernährung mit ungünstigen Effekten auf die Gesundheit einhergeht. So könnten die gesundheitlichen Vorteile, die eine überwiegend pflanzliche Ernährung mit sich bringt, möglicherweise auf der Strecke bleiben.“ Und so kann auch unser Fazit nur lauten: Wer ab und an einmal auf diese Convenience-Produkte zurückgreift, weil er „Fleischgelüste“ so besser abfedern kann, der darf dies sicherlich tun. Vom dauernden Verzehr dieser UPFs (hochverarbeiteten Produkte) ist aber abzuraten. Sie sind auch nicht wirklich notwendig, denn es gibt ja so viele leckere vegetarische und vegane Gerichte – auch zum Grillen! Vielleicht hast Du auch schon die Erfahrung gemacht, zum Grillen mit Freunden Deine vegetarischen Grillsachen mitgebracht zu haben, die dann prompt von den Karnivoren (Fleischessern) probiert wurden. Da ergibt es Sinn, immer ein, zwei Probierportionen mehr einzupacken, damit der eigene Hunger auch gestillt wird.
Quellen- und Literaturverzeichnis:
- Jack Fruit als Fleischersatz: https://utopia.de/ratgeber/jackfruit-fleischersatz/ (aufgerufen 03.07.2022)
- „Pluspunkte fürs Veggie-Würstchen?“, Jacqueline Hoffmann, UGB-Forum Nr. 3/22, Seite 120 ff.