Wie sind alle eigentlich gutgläubige Menschen und möchten gerne glauben, was man uns sagt. Und was auf dem Etikett steht. Doch mit dem Etikett fängt der Schmu oft schon an. Da steht auf dem Glas mit dem goldenen Deckel „Honig“ drauf, ein paar Waben im Hintergrund und ein paar dekorativ verteilte, hübsche Bienchen – und schon gehen wir treuherzig davon aus, dass da auch reiner Bienenhonig in dem Glas drin ist. Es steht ja auch nicht „Serviervorschlag“ darunter. Was da so leicht grünlich aus der Flasche gelaufen kommt, das ist ja auch ganz bestimmt Olivenöl, es ist ja so schön zartgrün. Der Geruch könnte es entlarven, aber die Wenigsten schnuppern daran – und selbst dann kann man auf künstliche Aromen hereinfallen. Letztendlich kann man heute fast jedes Lebensmittel fälschen, panschen oder schlechteste Qualität aufhübschen. Bekannt unter dem Begriff Food Fraud – „Lebensmittelbetrug“.
➥ Autor: Niki Vogt
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Teuflisch gute Olivenöl-Fälscher
Mitte 2019 flog eine Gruppe von Olivenöl-Fälschern auf. Internationale Ermittler hoben einen großen Ring aus, der „Natives Olivenöl Extra“ in Deutschland und Italien verkaufte. Die Staatsanwaltschaft im italienischen Foggia stellte 24 Haftbefehle aus. Die Bande panschte Sonnenblumen- und Sojaöl mit Chlorophyll und Beta-Carotin zusammen, bis es aussah, wie richtig schönes, natives Olivenöl. Geschäfte und Restaurants in Stuttgart, Frankfurt und Berlin wurden damit beliefert und richtig Kasse gemacht. Besonders in Italien. Hier war das Pfusch-Öl im ganze Land anzutreffen. Zweimal im Monat lieferte die Bande 23.000 Liter davon nach Deutschland. Weitere 150.000 Liter des versandfertigen Öls in den Lagern wurde beschlagnahmt. Der Betrug brachte jährliche Gewinne in Millionenhöhe.
Food Fraud – Lebensmittelverfälschungen
Lebensmittelfälscher wissen, dass sie einen riesigen Markt haben. Schummeleien oder handfester Betrug nimmt ständig zu. Kein Wunder: Viele Haushaltskassen sind klamm. Wenn scheinbar dasselbe Nahrungsmittel deutlich günstiger zu kaufen ist, greift man hier lieber zu, damit am Ende des Monats nicht noch Tage übrig sind, aber kein Geld mehr da. Der Markt für Lebensmittelbetrug ist also riesig.
Es gibt eine offizielle, gemeinsame Bund-Länder-Arbeitsgruppe „Food Fraud / Lebensmittelkriminalität“, die international mit anderen Staaten zusammenarbeitet, um diese Betrügereien zu ermitteln und zu verhindern. Das ist schwieriger als man denkt. Ein Fachartikel hierzu auf „Analyticalscience“, zeigt auf, wie schwierig es ist, Fälschungen zu entlarven:
„Die Herausforderungen im Kampf gegen Lebensmittelbetrug bestehen demnach darin, die Fälschungen zu erkennen, die betrügerischen Strukturen aufzuklären und die Verantwortlichen angemessen zur Rechenschaft zu ziehen. Eine (gute) Fälschung als diese zu bemerken ist allerdings sehr schwierig und wenn überhaupt nur durch aufwendige Analytik im Labor oder indirekt durch Betriebskontrollen, Warenstrom- bzw. Kapitalstromanalysen zu identifizieren. Dies ist aufgrund der globalisierten Warenströme eine große Herausforderung. Weder die Industrie noch die Lebensmittelüberwachungs- und die Strafvollzugsbehörden können sich dieser Aufgabe in vollem Umfang alleine stellen. Es bedarf funktionierender Netzwerke und Strategien, um in Zeiten komplexer globaler Warenströme Lebensmittelbetrug zu entdecken und gemeinsam dagegen vorzugehen.“
Gepanschter Honig
Bei gepanschtem Honig zum Beispiel kann man nur schwer nachweisen, dass ein geschicktes „Strecken“ von Bienenhonig durch eine Mischung von Sirup verschiedener Zuckerarten erfolgt ist. Oft wird auch mit der geographischen Herkunft getäuscht. Um das aufzudecken, braucht es eine mikroskopische Analyse plus Isotopenanalyse zum Nachweis des Zuckerzusatzes.
Die Lebensmittel, die am meisten gefälscht werden, findet man logischerweise bei den hochpreisigen Lebensmitteln, wie Wein, Fleisch, Meerestiere, Kaffee, hochkarätige Speiseöle, Gewürze. Aber auch Massenprodukte, wo das Fälschen einfach ist und ein hoher Umsatz sicher.
Die zehn am meisten gefälschten Lebensmittel und die entsprechenden Methoden sind:
Der Safran ist das meistgefälschte Gewürz der Welt
Ein Gramm kostet um die 20 Euro. Kein Wunder: Das authentische und kostbare Gewürz Safran ist Teil der Blume Crocus Sativus. Dessen Staubgefäße enthalten das begehrte Safranpulver und müssen von Hand aus der Blüte geerntet werden. Für ein Kilo Safrangewürz braucht es ca. 200.000 Safranblüten. Solche teuren Luxus-Lebensmittel locken Fälscher an, wie das Licht die Motten. Hier gibt es viel zu verdienen.
So werden die Staubgefäße einer gelbblühenden Distelart, die den Safran-Staubgefäßen sehr ähnlich sehen, aber viel leichter zu ernten sind, als Safran verkauft. Bisweilen aber auch völlig andere Staubgefäße oder Fasern von Granatäpfeln oder Rüben, die mit Kurkuma vermischt werden. Echter Safran riecht süß, schmeckt aber nicht süß. Die gefälschten riechen und schmecken süß. Untrügliches Zeichen für eine Fälschung: echter Safran behält seine intensive, tief-orange Farbe, wenn man das Staubgefäß in Wasser taucht und wieder herausnimmt, das Wasser färbt sich honiggelb. Gefälschter und gefärbter Safran verliert seine Farbe und das Wasser wird orange.
Vieles bewegt sich aber auch im Graubereich
Vanille, zum Beispiel, ist eine beliebte Zutat zu Süßspeisen und Backwaren. Ursprünglich ist es die Samenschote einer bestimmten Orchidee, die dieses unvergleichlich sanfte, lieblich-buttrig süße Aroma verleiht. Benutzt man echte Bourbon-Vanille zum Würzen, enthält die Speise die winzigen, schwarzen Samenkörnchen und färbt das Gericht leicht pastell-goldgelb. Nichts leichter, als das, dieses Merkmal zu fälschen.
Den Geschmack bekommt man auch ziemlich gut hin. Aber die Herstellung „falscher Vanille“ ist bei Food Fraud etwa 50 – 100 Mal billiger, als die aus echter Vanilleschote. Denn diese Orchideen wachsen und fruchten nur in tropischen Gefilden, und man muss die Schoten von Hand ernten, um die Pflanzen nicht zu schädigen. Bei einer solch hohen, möglichen Gewinnspanne ist die Verlockung zum Betrug groß, zumal man das entscheidende Vanille-Geschmacksmolekül praktisch identisch herstellen kann. Nur sind die Möglichkeiten teilweise nicht besonders appetitlich.
Die „Ferulasäure“ aus Reiskleie ist ein Ausgangsprodukt, das durch Mikroorganismen fermentiert, das typische Vanillegeschmacks-Molekül erzeugt. Aber auch das ist aufwändig. Meistens wird es synthetisch erzeugt. Und ohne das könnte der weltweite Bedarf von 15.000 Tonnen pro Jahr gar nicht erfüllt werden. Hier ist der Ausgangsstoff Lignin, das aus Holz und anderen pflanzlichen „Gerüstgeweben“ gewonnen wird. Auch hier wird chemisch das geschmacksgebende Molekül erzeugt, das in der natürlichen Vanille vorkommt.
Das ist alles noch in Ordnung, wenn es auch so deklariert ist und der Verbraucher weiß, was er da bekommt. Nicht mehr lustig wird es aber, wenn – gesetzlich zulässig – unter der Bezeichnung „natürliches Vanillearoma“, (da denkt doch jeder, dass hier „echte Vanille“ drin ist) der Vanillegeschmack aus Kuhfladen gewonnen wird. Die Kühe können das Lignin, das manchen Grashalmen die Stabilität verleiht, nicht verdauen, aber sie schließen es chemisch auf. Das ersetzt die aufwändige, chemische Behandlung des Holzes zur Gewinnung von Lignin für die Vanillin-Erzeugung. Das funktioniert auch mit alten Zeitungen. Der Verzehr dieses Vanille-Ersatzes ist unbedenklich. Nur ist die Bezeichnung „natürliches Vanillearoma“ sehr irreführend, um es vorsichtig zu formulieren.
Food Fraud – Komplex vernetzte Wertschöpfungsketten
Die Tricksereien und das Fälschen fallen aber auch auf anderen Gebieten immer wieder auf: So gab es vor einigen Jahren den Skandal, dass Pferdefleisch im Rindfleischgehackten war. Vor ca. 20 Jahren wurden in Australien abgeschossene, zur Plage gewordene Känguruhs in Europa als Rindfleisch verkauft. Weinpanscherei ist so alt, wie das Winzerhandwerk. Der 1985 aufgeflogene Skandal mit giftigem, diethylenglykolhaltigem Frostschutzmittel im Wein ist vielen noch in Erinnerung.
Wurstwaren sind ebenfalls ein Feld, das hoch anfällig für Lebensmittelbetrug ist. Was da so alles im den Separator und den Wurstkessel landet und am Ende in der Wurst … da sollte man, wenn man Fleisch will, doch zum Metzger seines Vertrauens gehen. Der Preiskampf im Supermarkt zwingt manche Wurstwarenhersteller geradezu dazu, auch minderwertiges Fleisch oder Schlimmeres zu „verwursten“, wie man umgangssprachlich schon sagt. Hier sei ein alter – nicht ganz politisch korrekter Spruch angemerkt: „Der Magen einer Sau, die Seele einer Frau, der Inhalt einer Leberwurscht, – das bleibt ewig unerforscht“.
Guten Appetit!