Bei Frühling liegt der Gedanke an Blüten und erste wärmende Sonnenstrahlen nahe. Jetzt ist aber auch die beste Zeit, um sich mit Knospen für das kommende Jahr einzudecken, denn Knospen sind konzentrierte Heilmittel. Damit beschäftigt sich die Gemmotherapie. Welt der Gesundheit gibt Tipps, nennt die Top-Knospen und zeigt, worauf es ankommt.
➥ Autor: Andreas Müller-Alwart
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Aus vielen Knospen lassen sich – zum richtigen Zeitpunkt gesammelt und richtig aufbereitet – wunderbare Heilmittel herstellen, die in der Regel in den Mund gesprüht werden. Wer beispielsweise um die vitaminreiche schwarze Johannisbeere eigentlich eher einen Bogen macht, weil ihm der Geschmack zu ungewohnt ist, dem würde Ribes nigrum – so der botanische Name – bei Halsschmerzen vermutlich rasch Linderung verschaffen. Doch der Reihe nach: Die Gemmotherapie ist vom lateinischen Wort „gemma“ abgeleitet. Es bedeutet so viel wie Knospe (oder auch Auge). Erst in den 50er Jahren soll sie vom belgischen Arzt Pol Henry entdeckt worden sein.
Die Knospensaison ist natürlich der Frühling
Der frühe Frühling, der in Süddeutschland schon im Februar oder März startet, ist die beste Zeit, um die Knospen zu sammeln. Das leuchtet ein: Jetzt haben sie die höchste Wachstumskraft. Die Gemmotherapie verwendet Extrakte und hinzukommen Alkohol, Glyzerin und Wasser. Das Endprodukt ist ein Glyzerin-Mazerat, benannt nach dem Herstellungsverfahren, der Mazeration. Dabei werden die wirksamen Wirkstoffe aus den Pflanzen ohne Zufuhr von Wärme herausgelöst: also ein schonendes Verfahren – vergleichbar der Herstellung von kaltgepresstem Öl. Die Gemmotherapeuten sprechen auch von einer Phyto-Embryotherapie, weil die Knospen eine spezielle Zusammensetzung von Proteinen und Pflanzenhormonen innehaben, die nur in diesem Embryonalstadium so vorkommt. Das Endprodukt ist eine Flüssigkeit, die man hochkontriert über einen kleinen Zerstäuber einnehmen kann.
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Die Anzahl fertiger, im Handel erhältlicher Präparate ist überschaubar – vor allem in Deutschland. In einigen Nachbarländern gibt es eine größere Auswahl, denn diese Therapie ist in Belgien, Frankreich, Österreich und der Schweiz bereits länger bekannt und weiterverbreitet. Fertige Präparate erhält man über eine Apotheke, die diese aber nicht immer vorrätig hat, jedoch rasch bestellen kann. Der Hersteller Spagyros (1) hat unsere schwarze Johannisbeere (30 ml) für etwa 23 Euro im Produktportfolio. Hier gleich ein Einkaufstipp dazu: es muss sich wirklich um pharmazeutische Qualität handeln. Diese wird auf der Verpackung mit dem Kürzel „Ph. Eur.“ ausgewiesen, was sicherstellt, dass dies eine Qualität nach dem europäischen Arzneibuch darstellt, also hochwertig ist. Im Gegensatz gibt es auch preiswertere Nahrungsergänzungsmittel im freien Handel, die aber eben nicht an diese Qualität herankommen. Schwarze Johannisbeere – und das dürfte viele im Frühjahr interessieren – ist auch wirksam bei Heuschnupfen.
Das Wunder der Knospe
Die Schönheit der Knospen ist schon von außen vielversprechend und es ist ein wirkliches Erlebnis, sie mal intensiver zu betrachten. Eine halbierte Knospe entpuppt sich wieder einmal als ein bezauberndes Wunderwerk der Natur. Kein Wunder also, wenn diese konzentrierte Lebenskraft, einen positiven Einfluss auf uns beziehungsweise gegen das ein oder andere Zipperlein hat. Da Knospen ja bereits im Herbst bei Bäumen und Sträuchern angelegt werden, haben sie viel Zeit bis zum Frühjahr, um Lebenskraft anzusammeln. Deswegen ist auch das frühe Frühjahr der beste Zeitpunkt, um eigene Gemmopräparate herzustellen. Die Herausforderung ist dabei zum einen, zu wissen, wo welche Knospen zu finden sind, und zum anderen den richtigen Zeitpunkt abzupassen, um sie zu ernten. Einerseits sollten die Knospen geschlossen sein, andererseits aber kurz vor dem Aufgehen. Dies wäre jedenfalls der ideale Zeitpunkt für das Einsammeln.
Inhaltsstoffe und Verarbeitung
Viele gesunde Inhaltsstoffe kommen in unterschiedlicher Konzentration in Knospen vor: sekundäre Pflanzenstoffe (Flavonoide, Gerbstoffe, ätherische Öle), Kohlenhydrate, Phytoproteine, Enzyme und natürlich jede Menge an Wachstumshormonen (Auxine, Gibberelline). Die Gibberelline sind für die Wachstumsgeschwindigkeit wichtig und die Auxine sind am Längenwachstum der Pflanzen beteiligt.
Bei den Kohlenhydraten haben wir es vor allem mit Oligosacchariden zu tun, die u. a. die Pflanze gegen Viren, Pilze und Bakterien schützen. Den Pflanzeneiweißen (Phytoproteinen) wird die Eigenschaft zugeschrieben, fehlgelaufene Zellteilungen zu erkennen und diese zu reparieren. Beim Einsammeln der Knospen ist Vorsicht geboten: Mit zwei Fingern kann man diese Knospen vorsichtig „abzwicken“. Außerdem braucht man nur etwa 1 Gramm der Knospen für den Eigenbedarf und so ist es nur fair und nachhaltig, immer einige Knospen stehenzulassen. Je nach Pflanze ist das Sammeln von einem Gramm mühsam oder in Kürze erledigt. Wer es nicht glaubt, der beginne das Sammeln mit Birkenknospen, die ganz zart und winzig sind.
Eigene Herstellung eines Gemmomittels
Als Sammelbehälter reicht ein sauberes Tüchlein – anschließend wollen die Knospen auch sofort verarbeitet werden – bedeutet: innerhalb weniger Stunden. Längeres Lagern im Kühlschrank oder Einfrieren, ist nicht zu empfehlen. In ihrem wunderbaren Buch zur Gemmotherapie „Die Heilkraft der Pflanzenknospen“ beschreibt die Autorin Cornelia Stern den Herstellungsprozess aufgrund ihrer Erfahrungen wie folgt (2):
Zunächst werden die Knospen sortenrein abgewogen, dann mit einem scharfen Messer zerkleinert und in 20 ml große Tropffläschchen gegeben. Separat werden 10 ml Glyzerin (85%) und 10 ml Alkohol (70%, unvergällt) mit dem Messerchen vermengt und dann in das Topffläschchen hinzugegeben. Das Fläschchen gut verschließen, gut durchschütteln und 3 Wochen lang stehen lassen an einem warmen Ort, aber ohne direkte Sonneneinstrahlung. In diesen 3 Wochen einmal täglich gut durchschütteln, damit der Prozess der Mazeration unterstützt wird.
Danach je 90 ml Glyzerin und Alkohol in einen Messzylinder (Größe: 100 ml) kippen und miteinander mischen. Jetzt wird noch ein Becherglas (Größe: 250 ml) und ein passender Trichter benötigt sowie ein Teefilter. Den Teefilter in den Trichter und diesen in das Becherglas stellen. Dann das Knospenmazerat dort hindurchfiltern und zum Schluss aus dem Messzylinder das Gemisch aus Glyzerin und Alkohol hinzugeben. Von dort in kleine Sprühfläschchen (Größe: 50 ml) umfüllen, wobei diese Menge für etwa vier Sprühflaschen reicht. Die benötigten Becher, Fläschchen usw. sind im Handel oder bei Apotheken in der Regel leicht zu erwerben. Die so erhaltenen Knospenextrakte lassen sich bis maximal 2 Jahre aufbewahren: Vor direktem Sonnenlicht und Wärme müssen sie geschützt werden.
Was kostet die Herstellung?
Die Kosten für Glyzerin und Alkohol sind nicht der Rede wert – nur die Beschaffung der Utensilien erfordert eine kleine Anfangsinvestition, die aber in keinem Verhältnis dazu steht, was ein paar Sprühfläschchen im freien Handel kosten. Außerdem kann so ein Sprühfläschchen für einen vom Heuschnupfen oder von einem anderen Zipperlein geplagten Menschen ein wirklich tolles Mitbringsel sein. 100 ml Glyzerin kosten ca. 2 bis 5 Euro und 100 ml Alkohol etwa das Gleiche. Also etwa 5 – 10 Euro Wareneinsatz für 4 Sprühfläschchen; Preis im Handel per Stück ab 24 Euro. Dafür kann man schon mal etwas sammeln, schütteln und filtrieren – zumal es ja vor allem um die eigene Gesundheit und gar nicht um die Kosten geht.
Welche Knospen für welchen Zweck?
Zunächst gilt: Alle Knospenpräparate sind gut verträglich, eignen sich für Kinder wie für Erwachsene gleichermaßen, sind gut dosierbar, haben einen angenehmen Geschmack, wirken schnell und sind mit anderen Medikamenten kombinierbar (!). Die Sprühfläschchen eignen sich hervorragend für unterwegs und die Herstellung mag zwar Neuland sein, ist aber keine Raketentechnologie. Im Gegenteil: Die Herstellung ist sehr ästhetisch und fast schon eine Form der Therapie an sich. Schaut man sich eine Liste sehr häufiger Alltagsbeschwerden an, so wird rasch klar: Fast immer gibt es eine passende Gemmotherapie dazu.
Bei Verstopfung und Klimakterium hilft Preiselbeere, Rosmarin ist generell gut für die Verdauung. Die Ulme ist der Spezialist für Wunden und Hautprobleme und die Linde, von der das Wort lindern abgeleitet wurde, hilft bei Schlafstörungen. Stress wird durch Feigenbaumknospen entgegengewirkt und bei Husten und Bronchitis ist die Knospe vom Haselstrauch die erste Wahl. Knospen vom Strauch „Wolliger Schneeball“ werden gegen Regelschmerzen verwendet, die Heckenrose gegen Halsschmerzen und die Erle bei Erkältungen und Fieber. Die Schwarze Johannisbeere ist ein Entzündungshemmer, hilft bei Gelenkschmerzen und Heuschnupfen. Dies waren nur die Top Ten … – eine vollständige Liste der Indikationen befindet sich im erwähnten Büchlein, ebenso eine ausführliche illustrierte Beschreibung der Top 23 Knospenpflanzen.
Wie dosiert man die Gemmopräparate?
Ein Sprühstoß in den Mund reicht und das am besten mehrmals über den Tag verteilt. Es gilt – wie eigentlich immer – zu beobachten, ob die gewünschte Wirkung einsetzt und wann sie wieder nachlässt. Bei manchen Indikationen kann auch eine Therapie in viertelstündlichem Abstand hilfreich sein, z. B. bei einem akuten Heuschnupfenanfall oder akuten Regelschmerzen. Wichtig ist es, sobald die gewünschte Wirkung einsetzt, die Abstände wieder zu vergrößern oder die Einnahme völlig einzustellen. Hilft die Behandlung auch nach Stunden noch nicht, dann ist ärztlicher Rat einzuholen. Nebenwirkungen sind übrigens kaum bekannt: Erhöhtes Schwitzen, unangenehmer Uringeruch oder verfärbter Urin, zeitweise Verschlechterung des Hautbildes kommen vor. Dies sind in der Regel Anzeichen dafür, dass der gewünschte Entgiftungsprozess bestens funktioniert.
Appetit zu diesem Thema bekommen und Hunger auf mehr?
Wer Appetit auf diese tolle Therapieform, die man selbst durchführen kann und die weitgehend risikofrei ist, bekommen hat, findet inzwischen einige Websites zu dem Thema. Die Freiburger Heilpflanzenschule (3) bietet alle möglichen Fachseminare, Infoabende und Kurse, ja sogar regelrechte Lehrgänge (4), dazu an. Eine unfassbar vielseitige Informationsplattform mit einer umfassenden Übersicht zu den Indikationen und empfohlenen Therapien bietet die Website „Gemmo.de“ (5) an, die ein lebendiges Projekt aus der Schweiz ist, an dem alle mitwirken und ihr Wissen und ihre Erfahrungen einbringen. Natürlich gibt es auch auf Videoportalen hilfreiche Videos zur Herstellung, zum Sammeln und Anwenden. (6)(7)
Nun noch viel Spaß beim nächsten Spaziergang durch die Natur, deren Knospen gerade in den Startlöchern vor dem bald beginnenden Frühling stecken. Sicherlich ist der Respekt vor diesem Wunder, das hier jedes Jahr stattfindet, nun noch einmal gewachsen.
Quellen- und Literaturverzeichnis*:
(1) Spagyros, Herstellerwebsite, https://www.spagyros.de/produkte/gemmotherapie/
(2) „Die Heilkraft der Pflanzenknospen“, Carola Stern, Trias-Verlag, 1. Auflage 2015
(3) https://heilpflanzenschule.de/ (11.02.2022)
(4) Jahresprogramm 2022 – u. a. mit Kursen zur Gemmotherapie
https://heilpflanzenschule.de/wp-content/uploads/2021/09/FHS-Programm-2022.pdf (11.02.2022)
(5) Website gemmo.de https://www.gemmo.de/indikationen/ (11.02.2022)
(6) Die Gemmotherapie – Heilpflanze Knospen. Kleine Helfer, mit großer Wirkung. https://www.youtube.com/watch?v=9E5b6_IO-Gc (11.02.2022)
(7) Viridas – Heilpflanzenwissen. Was ist Gemmotherapie? https://www.youtube.com/watch?v=DQNUYDz7RTE (11.02.2022)