Den Menschen macht sein Wille groß und klein. – Friedrich von Schiller -.
Es heißt auch, der Wille des Menschen sei sein Himmelreich. Warum wir es dann oft, nicht, bestimmte Dinge, die wir uns zu bestimmten Anlässen vorgenommen hast, durchzusetzen? Wieso scheitern wir scheinbar schon an kleinsten Hürden, mit dem Ergebnis, dass wir uns danach klein und unfähig fühlen? Was wäre, wenn wir unseren Willen so trainieren könnten, dass er wie ein Muskel immer stärker wird? Dass dies geht, wollen wir dir in unserem Beitrag zeigen.
➥ Autor: Barbara M. Thielmann
Der Wille psychologisch betrachtet
Rein psychologisch gesehen ist der Wille eine der faszinierendsten Eigenschaften des Menschen ist. In Studien über Willen und Willenskraft man kann immer wieder sehen, dass Menschen mit viel Willenskraft:
- deutlich besser darin sind, sich zu konzentrieren
- sich auch länger als andere zu konzentrieren
- generell produktiver sind
- dadurch auch deutlich erfolgreicher in Schule und Studium
- generell deutlich mehr Geld verdienen
- deutlich bessere Karrieren haben
- deutlich bessere und langandauernde Beziehungen haben
- besser mit Stress und Konflikten umgehen
- sich schneller von Krisen erholen
- eine deutlich höhere Fitness haben
- eine deutlich höhere Lebenserwartung haben
- denn sie leben sie generell gesünder und glücklicher
Zwei Wege, wie wir den Willen einsetzen können
Einmal gibt es die Fähigkeit, etwas bewusst nicht zu tun und dann die Fähigkeit, etwas bewusst zu tun. Wir haben also immer die Wahl, etwas zu tun oder zu lassen. Für beides setzen wir unseren Willen ein. Unsere Willenskraft agiert dabei wie ein Muskel beim Training im Fitnessstudio. Interessant ist dabei, wie und wo unser Gehirn diese Entscheidungen verarbeitet. Wenn wir im Training einen Muskel benutzen, wird er zunächst nach einiger Zeit schwächer und schwächer, bis wir das Gewicht nicht mehr halten können. Was passiert in diesem Moment in unserem Gehirn?
Parallelen in der Verarbeitung
Nehmen wir zum besseren Verständnis hierzu mal eine Analogie.
Wenn wir einem Kuchen erfolgreich widerstanden haben – auch eine Form von Training – sinkt unsere Muskelkraft ähnlich wie beim Fitnesstraining und wir können uns danach z.B. schlechter konzentrieren (weil uns vielleicht der Zuckerflash fehlt). Haben wir uns zum Sport gezwungen, wird abends eher das Lernen aufgeschoben und stattdessen ein Film geschaut. Oder: wenn wir uns in einem Gespräch emotional willentlich stark regulieren mussten um freundlich und konstruktiv zu bleiben, erhöht sich die Wahrscheinlichkeit, dass wir danach eher zu einem Keks, als zum Apfel greifen, so kurios das auch klingen mag. Und all diese Aspekte werden von ein und demselben Ort in unserem Gehirn gesteuert: dem ACC (anterior cingulate cortex).
Der anteriore cinguläre Cortex (ACC)
ist der vordere Teil des cingulären Cortex (des Gyrus cinguli), der einem ‘Kragen’ rund um den vorderen Teil des Corpus callosum ähnelt. Der ACC scheint eine Rolle bei einer Reihe von autonomen Funktionen zu spielen, wie beispielsweise der Regulation von Blutdruck und Herzfrequenz. Er ist auch bei bestimmten Funktionen höherer Ordnung, wie Erwartungshaltung, Entscheidungsfindung, Impulskontrolle und Emotionen beteiligt und er scheint besonders involviert zu sein, wenn eine Anstrengung erforderlich ist, um eine Aufgabe auszuführen wie beim frühen Lernen und der Problemlösung.
Der anteriore cinguläre Cortex mit Brodmann Arealen. Quelle Grafik: https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Gray727_anterior_cingulate_cortex.png#/media/File:Gray727_anterior_cingulate_cortex.png
Wie verrückt ist das denn?
Einerseits machen wir den Muskel beim Training schwächer, wiederholen wir jedoch diese Übung kontinuierlich jeden Tag, seien es auch nur ein paar Minuten, wird das schließlich dazu führen, dass der Muskel stärker wird. Damit trainieren wir aber parallel auch unsere Willenskraft und die (Ersatz) Analogien fallen weg, weil wir ein sichtbares Erfolgserlebnis haben. Wohlgemerkt, das funktioniert in beide Richtungen, denn auch ein Negativerlebnis (weil es sich immer wiederholt) kann so zu einem scheinbaren „Erfolgserlebnis“ werden.
Wichtig bei dieser Erkenntnis ist, dass wir entscheiden und mit diesem Wissen somit grundsätzlich unsere Willenskraft stärken können. Und wie oben schon beschrieben profitieren wir von mehr Willenskraft in vielen Lebensbereichen und ebenso gesundheitlich.
Geistige, mentale und körperliche Fitness sind die Folge. Unser Leben wird leichter und freudiger durch einen durchtrainierten Willenskraftmuskel.
In den letzten 20 Jahre haben Neurowissenschaftler immer mehr nachweisen können, wie bemerkenswert sich unser Gehirn je nach Erfahrung anpassen kann. Das nennt man Neuroplastizität. Praktiziert man täglich Kopfrechnen, rechnet das Gehirn nach einiger Zeit besser. Andersherum: grübelt man jeden Tag, dann wird das Gehirn ein „Meister des Grübelns. Und ist man gezwungen, sich täglich nur auf eine Sache zu konzentrieren, wird es uns schwerer fallen, uns flexibel an mehrere Aufgaben einzustellen. Unser Gehirn passt sich immer der Anforderung mit der wir es konfrontieren an. Seine Aufgabe ist Anpassung, nicht vernunftbegabt und willentlich zu entscheiden. Diese Fähigkeit findet sich nicht im Gehirn, sondern im Herzen. Denn es gehen mehr Verbindungen vom Herzen zum Gehirn, als umgekehrt. Das Gehirn ist „nur“ das Werkzeug. Die Seele sitzt nicht im Kopf. Die Entscheidungskraft kommt vom geistigen Wesen, welches wir sind, dieses jedoch bedient sich der wunderbaren „Technik“ des physischen Körpers, der stoffliche und feinstoffliche Abläufe und Signale vereint und verarbeiten kann.
Also ist ein bisschen „Zwang“ jeden Tag gut?
Ja, in der Tat. Am besten ist es, wenn nicht andere diesen „Zwang“ ausüben, sondern wir selber. Dann ist es nämlich auch kein Zwang, sondern ein Akt der Vernunft, den Willen in dieser oder jener Angelegenheit zu trainieren.
Es sei aber nochmal sehr eindringlich angemerkt, alles, was wir mit Willen tun, also weil wir es wollen, fördert die entsprechenden Gehirnareale und lässt die dazugehörigen Neuronen „feuern“. Da das Gehirn weder das Gewissen ist, noch eines hat, kann es folglich ethisch nicht darüber entscheiden, was für uns „guter Wille“ und „schlechter“ Wille ist. Es verstärkt lediglich den dazugehörigen Muskel im besagten Areal. Man kann sein Gehirn also auch „verderben“. Wie? Mit Kuchenorgien, Alkohol, Zigaretten (alles im Bereich Belohnung), digitaler Medienabhängigkeit und, und, und …
Tipp: Selbstkontrolle und Willensstärke gehören zusammen!
Was sind Micro-Sucks?
Wenn man nun seinen „Willensmuskel“ trainieren möchte, gibt es ein sehr einfaches Rezept, damit dies Tag für Tag besser gelingt, unser Leben in eine sehr viel gesündere und freudigere Richtung zu lenken. Dieses Rezept heißt: Micro-Sucks.
Andrew D. Huberman, ein amerikanischer Neurowissenschaftler und Professor für Neurobiologie an der Stanford School of Medicine, hat diese Routine entworfen, um die Willensstärke zu trainieren. Micro-Sucks, (it sucks) ist ein gängiger Ausdruck, um auszudrücken, dass etwas schlecht, enttäuschend oder nicht angenehm ist. Und Micro-Sucks sind kleine Momente, die eben dieser Energie entsprechen. Es sind Dinge, die uns unangenehm und im schlimmsten Fall zuwider sind. Die Kunst ist jetzt, mindestens einmal am Tag (besser 2–3-mal) solche Momente in den natürlichen Tagesablauf, besonders nach schönen Erlebnissen, einzubauen. Es reichen 5 – 10 Minuten, in denen man etwas tut, was man jetzt gerade gar nicht machen will. Dazu gehört zum Beispiel, morgens nach dem Aufstehen, vor dem Frühstück direkt das Haus zu verlassen. Zum Beispiel für einen kleinen Spaziergang oder sportliche Übungen außerhalb des Hauses.
Was man noch tun kann, um den Willen zu trainieren:
- beim Frühstück nur noch mit der schwachen Hand essen
- oder keine Schimpfwörter mehr zu benutzen
- jeden Tag kurz das Zimmer aufzuräumen oder
- bewusst eine bessere Körper Haltung einzunehmen
- jeden Tag 3 Minuten mit der Oma zu telefonieren
- Buch führen über die eigenen Ausgaben
- Süßigkeiten auf dem eigenen Schreibtisch aufzubewahren ohne sie zu essen!
Alles banale Dinge mit großer Wirkung.
Die größten Katalysatoren waren jedoch regelmäßige kleine Meditationspausen einlegen, Spaziergänge im Wald und: ausreichend Schlaf! Menschen mit Schlafmangel können ihre Willenskraft nur schwer oder gar nicht entwickeln.
Aktivitäten, die unsere Willenskraft stärken, wie Schlaf, Bewegung und Achtsamkeit, können uns helfen, unsere Willenskraft zu stärken. Dabei ist der Schlaf eben besonders wichtig, um unsere Willenskraft zu stärken, denn er ermöglicht es unserem Gehirn, sich auszuruhen und zu regenerieren. Bewegung und Achtsamkeit können uns helfen, Stress und Emotionen zu bewältigen, was wiederum unsere Willenskraft stärken kann.
Mehr dazu findet sich im spannenden Buch „The Willpower Instinct“ von Dr. Kelly McGonigal.