Das Mikrobiom – der Mensch als Metaorganismus?

Wie stellst Du Dir deinen Körper vor? Als eine Art Bio-Roboter, der sich nach dem Bauplan Deiner genetischen Anlagen so ausbildet, dass Du als Organismus mit spezifischen Organen für spezifische Aufgaben funktionierst? Und dass Du Dich vor allen Mikroben hüten musst, dass sie Dich nicht infizieren. Weil sie Dich krank machen? Mikroben sind gefährlich?

Falsch. Dein Körper ist eher wie ein Staat. Da gibt es Ministerien, die bestimmte Aufgaben erledigen, das sind die Organe. Die Regierung, das Gehirn. Autobahnen, auf denen alles an- und abtransportiert wird: das ist der Blutkreislauf. Und die Industrie, die alles herstellt und entsorgt, Dein Darm. Es stimmt zwar nur grob, aber schon so ungefähr. Erfahre genaueres in meinem heutigen Beitrag über die Mikroorganismen.

Die Mikroorganismen sind die Arbeiter und Angestellten

Aber die Arbeiter überall, das Völkchen, was Deine Dienstboten und Mitarbeiter stellt, in den Ministerien, in der Industrie, im Regierungssitz, das sind die Mikroben. Sie sitzen überall und sie leben von ihrer Arbeit, aber Du auch. Nicht nur das: diese ganzen Mikroorganismen sind sehr kommunikativ miteinander und kommunizieren sogar mit denen der Außenwelt.

Ohne unsere Mikroben wären wir nicht lebensfähig. Mehr als 30 BILLIONEN Bakterien wohnen in uns, das ist in etwa genauso viel, wie unsere eigenen Zellen. Und sie haben viele wichtige Aufgaben. Die Wahrheit ist, dass es in der Natur unserer Mutter Erde überhaupt keine keimfreien, Bakterienfreien Organismen gibt. Die Bakterien waren auch die ersten Lebewesen auf Mutter Erde. Das Leben auf der Erde begann mit einem Biofilm aus Archeen, Bakterien und Viren, auf dem sich dann mehrzelliges Leben entwickelte. Es ist also überhaupt nicht überraschend, dass auch die höher entwickelten Organismen sich in 500 bis 600 Millionen Jahren in einer gemeinsamen Biosphäre mit diesen Mikroben entwickelten – zu gegenseitigem Nutzen.

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Bestes Beispiel für Zusammenarbeit: Das Mitohondrium

Schon jede unserer Körperzellen ist ein „Joint Venture“ mit einer Mikrobe. Das Mitochondrion ist das Energiekraftwerk der Zelle. Es war eine Sensation, als die Wissenschaft erkannte, wie unsere Zellen eigentlich entstanden sind. Eben nicht nur durch ein paar Proteine, die sich zufällig bildeten und dann linear weiterentwickelten. Das Mitochondrium war eigentlich eine Beute. Mitochondrien sind sehr wahrscheinlich vor 1,5 Milliarden Jahren primitive Bakterien gewesen, die von größeren Zellen primitiver Einzeller als Beute umschlossen wurden. Doch im Lauf der Zeit wurde daraus eine „Hochzeit“: Denn für die größeren, komplexeren Einzeller war Sauerstoff reines Gift, aber die kleinen Bakterien konnten Sauerstoff verarbeiten und zu dem Molekül Adenosintriphosphat (kurz: ATP) umformen, das den Zellen reine und erneuerbare Energie liefert. Wahrscheinlich fraß der Einzeller die Bakterien, um an das ATP zu kommen. Indem das Bakterium aber Strategien entwickelte, nicht verdaut zu werden, ging es eine dauerhafte Bindung mit dem Einzeller ein und es entstand die „eukaryotische Zelle“. Daraus entwickelten sich anschließend komplexe, vielzellige Lebewesen.

Doch heute noch hat das Mitochondrium eine eigene DNA. Unsere Erb-DNA liegt nur im Zellkern. Das Mitochondrium führt in der Zelle quasi sein eigenes Leben.

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Die Mikroben leben in und mit uns!

Alle Tiere, Menschen und Pflanzen haben überall in ihren Körpern Mikroben, oft mittendrin im Gewebe, wo sie in verschwiegener aber bester Zusammenarbeit mit den Gewebezellen Co-existieren. Macht man DNA-Gewebesequenzen, findet man die kleinen Heinzelmännchen aufgrund ihrer Gensequenzen.

Ein Mensch von 80 Kilogramm Körpergewicht hat ungefähr 5 Kilogramm davon an Mikroorganismen im Körper und auf der Haut. Und die Zusammensetzung ist sehr individuell. Man könnte einen Menschen (und jedes andere Lebewesen) auch ganz genau anhand seines individuellen Mikrobioms identifizieren. Das hängt mit dem Immunsystem zusammen.

Wir sind, wie alle Lebewesen auf dieser Welt immer ein Metaorganismus, wir bestehen nicht nur aus unserem Körper mit seinen eigenen Körperzellen. Wir sind eine kleiner, funktionierender Kosmos – ohne unsere vielen Mitbewohner im Körper funktionieren wir überhaupt nicht.

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Das Immunsystem regelt die Zusammensetzung unserer Mitbewohner

Wie wir wissen, hat unser Immunsystem seine Abwehrmechanismen! Letztendlich identifiziert die Immunabwehr Freund oder Feind über die Eiweiße. Viren, Pilze und Bakterien, bei denen „feindliche“ Proteine erkannt werden, werden getötet. Aber eben nicht alles und jeder, der in den Körper kommt. Und die Wissenschaft weiß heute: es wird sehr gezielt ausgesucht, wer bleiben darf und wer nicht. Ein gesundes Immunsystem hält auf diese Weise die Struktur und Besetzung des Mikrobioms in einer bestimmten Komposition aufrecht. Ist das Immunsystem gestört, dann kann das ganze System kippen.

Unsere hauseigenen Mikroben sind daher sogar auch in das Immunsystem als Mitarbeiter integriert. Sie regen unser Immunsystem zur Bildung von B- und T-Zellen an, denn je unterschiedlicher die Mikroben Fauna ist, umso mehr T-Zellen bildet der Körper und schickt sie ins System. Die B-Zellen des Immunsystems reifen in den Lymphknoten oder in der Milz zu zweierlei Typen heran: zu den Plasmazellen, die Antikörper produzieren und zu den Gedächtnis-B-Zellen. Sie bilden nach einer Infektion eine stille Reserve, die bei einer erneuten Infektion mit dem gleichen Erreger sofort aktiviert werden kann und für eine schnelle Abwehrreaktion mit der Ausschüttung von Antikörpern sorgt. Die B-Zellen sind aber auch für die Darmgesundheit wichtig und hier erhalten sie Hinweise von den Bakterien: Spezifisch erzeugte, bakterielle Stoffwechselprodukte regulieren das Darmmikrobiom, indem Rezeptoren im Darm auf diese Stoffwechselprodukte reagieren und die B-Zellen aktivieren. Diese B-Zellen setzen dann ganz allgemeine Antikörper frei, die dann im Darm „aufräumen“. Gibt es schädliche Mikroorganismen oder vermehren sich auch gutartige Darmbakterien zu rasant, wird da mal „geputzt“ und abgetötet, was nicht mehr guttut. So wird wieder ein gesundes Gleichgewicht etabliert. Eine perfekte Zusammenarbeit zwischen Mikrobiom und körpereigenem Immunsystem.

Möchtest du Mikrobiomanalyse verstehen und richtig interpretieren, empfehle ich Dir das gleichnamige Buch dazu. Die Darmflora beeinflusst sowohl unsere physische als auch unsere psychische Gesundheit enorm. Immer mehr Menschen lassen deshalb ihre Darmflora prüfen. Das geht mittlerweile ganz einfach per Post. Das Ergebnis dieser Mikrobiomanalyse ist jedoch oft nicht für jedermann verständlich. Dieses Nachschlagewerk erklärt umfassend und allgemein verständlich alle Befunde und Begriffe aus der Mikrobiomanalyse und ihre Bedeutung für die Gesundheit. Daneben gibt es Tipps für eine dauerhaft gesunde Darmflora.

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Weniger Desinfektion, mehr Dreck

Die Bakterien sind nur dann zu eliminierende Feinde, wenn sie Gemeinschaft schädigen, ansonsten sind Immunsystem und Bakterien Kollegen. Und: Das Mikrobiom passt sich auch an die Einflüsse der Umwelt an. Eine Ernährungsänderung verändert das Mikrobiom, ein neuer Sexualpartner, ein Umzug in eine andere Umgebung, psychisch einschneidende Veränderungen, Umwelteinflüsse und die eigene Genetik. Daher haben sogar auch Zwillinge ein sehr ähnliches Mikrobiom, aber niemals ein identisches.

Wir brauchen den Schmutz und die Herausforderungen für das Power-Team „Immunsystem & Mikrobiom“. Denn je freier ein Mikrobiom sich selbst stabilisieren, regeln und anpassen kann, desto gesünder sind wir und unsere Mini-Mitarbeiter. Zu viel Hygiene und besonders Antibiotika sind Gift. JA, ein Antibiotikum kann Dein Leben retten und im äußersten Notfall ein Segen sein, aber danach brauchst Du wieder eine ganze Weile, bis sich Dein Körper regeneriert und der Mikrobenrasen wieder erstes, zartes Grün zeigt.

Gerade Kinder, die mehrfach Antibiotika bekommen haben, erkranken später viel öfter an Allergien oder chronische Darmerkrankungen. Wie etwa Entzündungen. Wo das Immunsystem zusammen mit dem Mikrobiom eines Problems nicht Herr wird, benutzt der Körper die Waffe der Entzündung. Bessert sich die Lage aber nicht und die Entzündung wird chronisch, kann daraus irgendwann ein „entzündungsassoziierter Krebs“ entstehen.

Also, tun wir unserem Mikrobiom den Gefallen und merzen nicht alles aus, was es braucht, sondern achten wir lieber darauf, seine Gesundheit zu erhalten und unseren kleinen „Privatstaat“ zu pflegen!

Quellenverzeichnis:

(1) https://www.scientia.global/professor-thomas-bosch-the-metaorganism-the-microbiome-and-its-host/

(2) https://www.metaorganism-research.com/project-groups/c1/

(3) https://www.tandfonline.com/doi/full/10.1080/19490976.2015.1016690

(4) https://www.frontiersin.org/articles/10.3389/fmars.2021.664063/full

(5) https://onlinelibrary.wiley.com/doi/abs/10.1002/prca.201300083

(6) https://www.sciencedirect.com/science/article/abs/pii/S0952791514000922

(7) https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC3992624/

(8) https://aspace.repository.cam.ac.uk/handle/1810/300237

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