Ein seltsamer Hype geht um: TikTok-Nutzerinnen berichten unter dem Hashtag #beepollen, dass sie tolle Erfolge mit Blütenpollen zur Vergrößerung ihrer Brüste erzielt haben und untermauern das mit Vorher-Nachher-Fotos. Nun weiß man ja, dass gerade auf diesem Medium viel mit Make-up und Filtern geschummelt wird, und die heißesten Kurven herbeigezaubert werden. Kann das überhaupt stimmen?
➥ Autor: Niki Vogt
Aber tatsächlich enthalten Blütenpollen sehr viele Phyto-Östrogene. Sie ähneln strukturell und von der Wirkung dem Östradiol, was eine der wirksamsten natürlichen Östrogenformen beim Menschen ist. Und Östrogen kann tatsächlich die Brüste wachsen lassen. Ist also doch etwas dran an diesem ungewöhnlichen Trend? Ja, das ist es. Pflanzenhormone können im Körper ganz ähnlich wirken, wie körpereigene Hormone. Und es kann sogar sein, dass einige Anwenderinnen mit dieser Methode wirklich eine etwas größere Oberweite erreichen können. Natürliche Brust-OP aus der Pollentüte? Vielleicht. Aber ist das risikolos?
Nein, leider nicht. Aber dazu kommen wir noch.
Wie werden die Blütenpollen gewonnen?
Bienen ernähren ihren Nachwuchs mit Blütenpollen. Wenn die Königin ein winziges Ei in eine Brutwabe legt, füllen die Arbeiterinnen-Bienen diese Wabe mit Futtersaft, ähnlich wie Honig und verschließen die Brutwabe mit einem Wachsdeckel. Darin entwickelt sich das Ei zu einer zarten, ganz weißen, noch weichen, nackten Biene und die wird dann mit Bienenpollen zur erwachsenen Biene aufgefüttert. Sie bekommt ihre schwarz-gelbe Farbe, das Fellchen, Flügel und schwarze Beinchen. Ist sie fertig und erwachsen, ist sie auch gleich im Arbeitsdienst. Die Pollen enthalten daher alles, was das „Bienenbaby“ braucht, um eine fleißige, starke Arbeiterin zu werden: Vitamine, Mineralstoffe, Spurenelemente, Eisen, Kalium, Phosphor, Kalzium, Silizium, Magnesium, Zink, Flavonoide, sekundäre, antioxidative Pflanzenstoffe, gesunde Fette und viele Proteine – und eben auch Hormone, wie die Phyto-Östrogene.
Um dieses Superfood für die eigenen Nachkommen zu gewinnen, fliegen die Arbeiterbienen emsig von Blüte zu Blüte. Auf dem Blütenstempel sammelt die Biene den süßen, zuckrigen Nektar, um daraus Honig zu machen. Gleichzeitig gerät dabei auch Blütenpollen von der Biene auf den Blütenstempel und befruchtet die Blüte, so dass die Pflanze Samen bilden kann und auch ihrerseits Nachkommen erzeugt. Die Bienen haben an ihren Hinterbeinchen kleine Haken, die, wie ein Kamm, die Pollen von den Staubgefäßen der Blüten abkehren und festhalten. Manche davon bleiben auf den Blütenstempeln kleben und dienen so zur Befruchtung der Blüte. Aber das meiste bleibt an den Bienenbeinchen hängen und bildet einen kleinen, festen Knödel. Diese Knödelchen bringt die Biene – zusammen mit dem erbeuteten Nektar – in ihren Stock. Der Nektar wird zu Honig verarbeitet und die Pollenknödelchen an die Bienenlarven verfüttert.
Das, was als Blütenpollen verkauft wird, sind diese Pollenknödelchen. Nun setzt sich der Imker natürlich nicht neben das Einflugsloch des Bienenstocks und piddelt mit einer spitzen Pinzette jeder einzelnen Biene die Knödelchen einzeln von den Beinchen ab. Man verengt den Eingang am Bienenstock so, dass diese Pollenkörnchen dabei einfach abgestreift werden und vor dem Stock auf eine Platte oder in eine Wanne fallen. Und dort erntet man sie.
Das hört sich super gut an und ist doch reine Natur?
Blütenpollen können Bakterien und Pilze eliminieren und wirken entzündungshemmend und immunsteigernd, indem die Produktion von Immunzellen stimuliert wird. In geringen Mengen gilt Blütenpollen daher als „Superfood“. Aber auch da muss man vorher einen Allergietest machen. Wie jeder, der an Heuschnupfen leidet weiß, sind es gerade die Blütenpollen, die heftige Allergien auslösen können, nur weil sie in Nase, Augen und Rachen gelangen.
Wer also Blütenpollen – auch in kleinen Mengen – zu sich nimmt, muss wissen, dass man darauf allergisch reagieren kann. Symptome wie Hautausschlag, Juckreiz, Schwellungen und Atemprobleme, Nießen und laufende Nase zeigen eine allergische Reaktion an. Das sollte unbedingt vorher getestet werden. Eine schwere Allergie kann im schlimmsten Fall sogar lebensgefährlich werden.
Die in den Blütenpollen enthaltenen Phyto-Östrogene können durch die darin enthaltenen Pyrrolizidin-Alkaloide sogar gefährlich sein. Die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) hat festgestellt, dass Pyrrolizidin-Alkaloide (PA) beim Menschen das Erbgut schädigen und das Potenzial haben, Krebs auszulösen. In den Drüsenzellen der weiblichen Brust sitzen nämlich Rezeptoren, die auf das körpereigene Östrogen reagieren und die Brüste wachsen lässt. Es ist also möglich, dass diese Rezeptoren auch auf die Phyto-Östrogene reagieren.
Die Abbauprodukte der Pyrrolizidin-Alkaloide müssen von der Leber entsorgt werden und die kann davon ebenfalls einen Schaden erleiden.
Hormone sind mächtige Botenstoffe!
Hormone sind sehr mächtige Botenstoffe, die im Körper Vorgänge in Gang setzen, die enorme Veränderungen bewirken. Das aus einem Kind in der Pubertät ein Mann oder eine Frau wird, bewirken Sexualhormone, die der Körper produziert. Und die körperlichen Veränderungen sind gewaltig. Die Jungen wachsen in die Höhe, die Schultern werden breiter, sie bekommen Muskeln, eine tiefe Stimme, Bartwuchs setzt ein. Der süße, kleine Bengel mit der hellen Kinderstimme und der zarten Haut ist in wenigen Jahren nicht mehr wiederzuerkennen. Mädchen bekommen weichere, geschwungenere Körperformen, die Periode … und Brüste. Wenn sie zur Verhütung die Pille nehmen, dann vergrößert sich bei einigen Frauen durch die Hormonzufuhr der Busen deutlich – bei anderen dagegen gar nicht.
Mit Hormonen sollte man nicht herumspielen
Die medizinische Wissenschaft glaubte, den Frauen einen großen Gefallen zu tun, indem sie ihnen in den Wechseljahren das Hormon Östrogen gab, um die ganzen unangenehmen Begleiterscheinungen, die der Hormonabfall erzeugt, völlig zum Verschwinden zu bringen. Das tat das Östrogen auch. Doch dann zeigte sich, dass diese Therapie bei vielen Frauen zu Brustkrebs führte. Der Denkfehler war, wie sich herausstellte, dass das Östrogen von Stuten gewonnen wurde und eben kein menschliches Östrogen war. Und obwohl Pferdestuten auch Säugetiere sind, wie der Mensch, war das Östrogen nicht dasselbe, wie beim Menschen. Die etwas anders gebauten Proteine des Hormons wurden aber in den Brustdrüsen der menschlichen Frauen aufgenommen, wo sie dann zu anderen Wirkungen führten – und nach einiger Zeit der Einnahme die Zellen entarten ließen.
Welche Wirkungen pflanzliches Östrogen in größeren Mengen in den Brustzellen der menschlichen Frauen haben könnte, ist noch vollkommen unklar. Und auch, ob es überhaupt wirklich die ersehnte Brustvergrößerung bewirkt.
Die Blütenpollen sind überdies auch noch sehr unterschiedlich zusammengesetzt. Je nachdem welche Sorten Blumen im Einzugsbereich des Bienenvolkes blühen, ändern sich auch die Bestandteile des eingetragenen Blütenpollens. Wenn man einen Bienenkasten öffnet und eine der Wabenwände in der Mitte herausnimmt, ist das gut zu sehen. In der Mitte ist das Brutnest mit den verkapselten Ei-Waben und die offenen Waben mit den entwickelten, aber noch nicht erwachsenen Bienen, die mit Pollen gefüttert werden. Und wie einen bunten Kranz um diese Brutwaben, sieht man die Waben mit den eingefüllten „Vorratspollen“. Die Farben der Pollen in diesen Waben variieren stark: Von Weiß, Hellgelb, Orange, Helltürkis, Rot und Schwarz ist alles darin zu sehen. Und jede dieser Pollenfarben signalisiert auch andere Inhaltsstoffe. Das erhöht die Möglichkeit, darauf allergisch zu reagieren stark. Und auch, welche Phyto-Östrogene in welcher Konzentration darin vorliegen und welche Wirkung sie im menschlichen Körper entfalten ist unklar, aber wichtig – doch dazu gibt es kaum valide Erkenntnisse.
Fazit: In kleinen Mengen ist Blütenpollen sicher sehr gesund. Aber löffelweise, und das ist die Empfehlung auf TikTok, sollte man das ganz sicher besser nicht essen. Es gibt keine Erfahrungswerte, was das in Euren Körpern so anstellt. Es könnte sogar lebensgefährlich sein.