Gelber Enzian

„Gelber Enzian?“ „Ja, klar, kenn ich. Ist ein leckerer Schnaps!“ Ja – das ist der gelbe Enzian auch, aber in erster Linie ist er eine sehr wirksame und bedrohte Heilpflanze. Mehr noch: Der gelbe Enzian gilt als eine der bittersten Pflanzen überhaupt, also eine Bitterdroge. Seine Eigenschaften – vor allem für die Verdauung – sind beachtlich. Sein bekanntestes Produkt ist sicherlich der Enzianschnaps, aber es gibt ihn auch als Tee. Wir zeigen Euch was gelber Enzian ist und wie ihr ihn anwenden könnt.

➥ Autor: Andreas Müller-Alwart

Wer auf einer Bergwanderung mal den gelben Enzian gesehen hat, der wird diese Pflanze vermutlich nie wieder vergessen. Bis zu einer Höhe von 1,5 Metern ragt die imposante Pflanze in den Himmel. Gentiana lutea – wie der gelbe Enzian botanisch korrekt heißt – hat wunderschöne Etagen von gelben Blütengestecken („Blattschopfbüschel“), die sich am langen Stängel einladend den Insekten anbieten. Hier bei uns im Schwarzwald, z. B. am Feldberg, wurde sie früher sehr häufig geerntet, ist sie mittlerweile allerdings rar geworden und steht sogar unter Naturschutz. Bedeutet: Das Wildsammeln ist verboten und sollte unterbleiben. (1) Das ist bitter, weil man somit auf fertige Produkte zur Selbstbehandlung angewiesen ist. Die Pflanze wird bis zu 60 Jahre alt und gönnt sich deswegen den Luxus, erst ab dem 10. Lebensjahr zu blühen. Blütezeit ist im Frühjahr. Erntezeit ist September bis Oktober.

Das liegt mir schwer im Magen

Wenn einem etwas schwer im Magen liegt, kann es damit zusammenhängen, dass die Ernährung, z. B. das Käsefondue, einfach eine zu große Portion oder zu unverdaulich war, oder die aufgenommene Nahrung ist aufgrund eines psychischen Ereignisses gerade schwer verdaulich. Man spricht ja auch von schwerverdaulichen Nachrichten, die einen erreichen und belasten. Verdauungsfördernde Bitterstoffe können hier Abhilfe schaffen und davon hat der gelbe Enzian reichlich. Nicht umsonst wird er auch „Bitterwurz“ genannt und ist als eine „Bitterdroge“ bekannt. „Der Enzian enthält mehrere wirksame Stoffe, besonders in der Wurzel; die bitteren Glykoside Gentiopicrin, Genitamarin und Amarogentin.“ (5) Noch nie gehört? Gleich mehr dazu. Aber erst einmal will der Begriff „Bitterdroge“ geklärt sein.

Foto: @Zinkevych_D via envato.elements

Was ist denn eine Bitterdroge?

„Eine wässrige Verdünnung von 1:20.000 schmeckt noch bitter. Das reine Amarogentin ist noch bitterer; sein Geschmack ist noch wahrnehmbar in einer Verdünnung von 1:50.000. Es ist unsere bitterste bis heute bekannte Substanz.“ (5) Einige Quellen sprechen auch davon, eine Verdünnung von 1:58.000.000 sei noch wahrnehmbar. Als aufmerksame Leser und Leserinnen ist längst klar: Bitterstoffe? Die sind doch immer gut für die Verdauung und wirken sich positiv aus, um Entzündungsprozesse zu unterdrücken. Stimmt! Und endlich der Beweis, dass ein Schnäpschen – zumindest vom Enzianschnaps – nach dem Essen doch verdauungsfördernd ist? Ja und Nein: Es ist kein Beweis dafür, Alkohol sei verdauungsfördernd – im Gegenteil dieser verzögert die Verarbeitungsprozesse im Verdauungstrakt oft –, aber ein Beleg dafür, wie gut uns Bitterstoffe tun, also wie wirksam die Heilpflanze ist. Liegt uns also etwas schwer im Magen helfen Tinkturen und Extrakte aus Bitterstoffen. Der gelbe Enzian ist ein Meister darin, alles, was den Magen voller Gier und Völlerei zu schnell und zu unverdaut erreicht hat, zu spalten. Da hat auch das verschlungene Käsefondue nach kurzer Zeit keine Chance mehr, einem quer im Magen zu liegen.

Wie wirken die Bitterstoffe?

Wir könnten uns nun jeden einzelnen – schwer auszusprechenden Bitterstoff – in seiner Wirkungsweise vornehmen: Das wäre vermutlich wenig zielführend, denn uns interessiert ja die gesamte Wirkungsweise eines Extraktes bzw. einer Tinktur des gelben Enzians. Vereinfacht ausgedrückt regen die bitteren Stoffe die Bitterrezeptoren in den Geschmacksknospen im Mund-Rachen-Raum an. Die bittere Botschaft wird über den Zungen-Rachen-Nerv weitergeleitet und auch der größte Nerv des Parasympathikus informiert. Klingt etwas wissenschaftlich und komplex: Für uns ist der Effekt wichtig, denn die Übermittlung der Botschaften steigert die Speichel- und Magensekretion. Mehr Salzsäure und das für die Verdauung so wichtige Enzym Peptin werden produziert. Gelangen die Bitterstoffe in den Magen und Darm, wird auch dort die Produktion von Verdauungsstoffen wie z. B. Galle und Pankreassekret erhöht. Und so sind wir wieder bei unserem Schnapsgläschen: Unseren Enzianextrakt müssen wir nämlich VOR dem Essen einnehmen, damit er gut wirken kann. Wer gerne noch mehr detaillierte Informationen dazu einnehmen und verdauen möchte, der sei hier auf den Artikel von Margret Rupprecht verwiesen (7).

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Hildegard von Bingen und der gelbe Enzian

Auch Hildegard von Bingen beschrieb die Heilpflanze schon. „„Der gelbe Enzian ist ziemlich warm. Und wer ein Magenfieber hat, der trinke oft vom (in Stahl erwärmten) Enzianwein und das wird seinen Magen/Darm vom Fieber(stoff) reinigen.“ Allergien und Fieber sind beim Enzian-Wein die Hauptanwendungsgebiete. Das „Wie“ ist bei Hildegard eine sehr oft eingesetzte Komponente. Um ein gewünschtes Ergebnis zu erhalten, unterscheidet Hildegard extrem genau über Art der Anwendung. Der gelbe Enzian wird in der Phytotherapie besonders geschätzt und gilt als appetitanregend, verdauungsfördernd und gärungswidrig. Aktuellen Studien zufolge besitzt die Wurzel eine schmerzlindernde, entzündungshemmende und fiebersenkende Wirkung.“ (6) Anzuwenden sei er bei Allergien („Eiweißkrankheiten“), auch Darmallergie, Magenfieber, Verdauungsstörungen, Stuhlverstopfung. „Der Wein wird am besten mit einem Tauchsieder aus Stahl (oder in einem Stahlgefäß) erwärmt. Getrunken wird er ebenfalls leicht erwärmt 3x tgl. während und nach der Mahlzeit.“ (6) Natürlich war diese Erkenntnis schon vor über 2.000 Jahren bekannt und Frau von Bingen konnte auf dieses Wissen zurückgreifen.

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Selbstbehandlung mit gelbem Enzian

Vor einer Anwendung sollte Rücksprache mit einem Heilpraktiker, Arzt, etc. genommen werden, denn es gibt Gegenanzeigen, bei denen der gelbe Enzian nicht eingenommen werden sollte, z. B. Bluthochdruck. Da ihr– wegen des Naturschutzes – den gelben Enzian nicht selbst einsammeln und verarbeiten könnt, hier eine Übersicht von Produkten, die im Markt erhältlich sind:

Ceres-Gentiana lutea Urtinktur (Firma Ceres)
Die Firma stellt eine Urtinktur her, die als Tropfen eingenommen wird und gegen Blähungen, Darmträgheit, Verstopfung sowie für bessere Eiweißverdauung wirken soll.

Gentiana lutea Rh Presssaft 5% (Firma Weleda)
Die Firma bietet diesen Saft zur Anregung der Verdauung im Darmbereich an. Er wirkt bei Blähungen, Appetitlosigkeit, Übelkeit und zur unterstützenden Behandlung bei chronisch-entzündlichen Magen-Darm-Erkrankungen.

Amara-Tropfen (Weleda)
Diese Tropfen sind konzipiert als Hilfe bei funktionellen Störungen der Bildung und Absonderung von Verdauungssäften sowie bei Störungen der Bewegungsabläufe im Magen und Darm. Sie können helfen bei Sodbrennen, Appetitlosigkeit, Übelkeit und Völlegefühl.

Bio-Enzianschnaps (Schnaps-Destillerien, z. B. Destillerie Mag Josef Farthöfer)
VOR dem Essen EIN KLEINES Gläschen des aromatisch bitteren Enzianbrandes (40 Vol. % Alkohol) kann eine verbesserte Verdauung bewirken.

Enziantee (z. B. Achterhof Enzianwurzel, geschnitten, aus Wildsammlung)
Hilft bei Appetitlosigkeit und träger Verdauung. Dazu wird die geschnittene Enzianwurzel (ca. 3-4 g) mit 200 ml kaltem Wasser langsam zum Köcheln gebracht. Nach dem Kochen noch fünf Minuten abgedeckt ziehen lassen. Man trinkt dann 1-2 Tassen ca. 30 Minuten vor einer Hauptmahlzeit. (Der Tee wird als Mazerat, Kaltauszug, verwendet und ist einige Tage verwendbar.)

Foto: @furmanphoto via envato.elements

Bleibt zum Schluss nur der bittere Hinweis an Schlagersänger Heino und seinen Alpen-Hit „Blau blüht der Enzian“. Musikalisch war das sicherlich ein großer Hit, aber was die Gesundheit angeht, hätte Heino lieber den gelben Enzian besingen sollen, denn Platz 1 gebührt ihm unter den rund 400 bekannten Enzian-Arten. Hoffentlich liegt diese Info bei ihm nicht allzu schwer im Magen, aber mit 83 Jahren steht der Schlagerstar sicherlich da drüber. Anderenfalls hilft ein Enzianschnaps.

Quellenverzeichnis:

  1. „Gelber Enzian – Inhaltsstoffe, Wirkung und Anwendung“ https://www.heilpraxisnet.de/heilpflanzen/gelber-enzian-inhaltsstoffe-wirkung-und-anwendung/ (aufgerufen am 18.08.2022)
  2. „Gelber Enzian – eine starke Verdauungshilfe“, Fachzeitschrift „natur & heilen“, Januar 2022, Margret Ruprecht, Heilpraktikerin und Medizinjournalistin,
  3. Heilkräuterlexikon (online), https://heilkraeuter.de/lexikon/enzian.htm (aufgerufen 18.08.2022)
  4. Heilpflanzenwissen (online), http://heilpflanzenwissen.at/pflanzen/gelber-enzian/ (aufgerufen 18.08.2022)
  5. BLV-Bestimmungsbuch „Heilpflanzen“, P. Schauenberg / F. Paris, 2. Auflage 1975, BLV-Verlagsgesellschaft
  6. Hildegard von Bingen zum gelben Enzian, https://hildegardvonbingen.info/mittel/elixiere-tropfen/enzian-trank/ (aufgerufen 18.08.2022)
  7. Empfehlenswerte weitergehende Literatur: https://www.naturundheilen.de/wissensschatz/artikel/gelber-enzian/ Dieser Artikel liegt hinter einer Bezahlschranke.

Bittermittel sollten nicht überdosiert werden und nicht über einen langen Zeitraum eingenommen werden. Bei Magen- und Zwölffingerdarmgeschwüren dürfen sie nicht verwendet werden (gestörte Sekretion). (4) Bei Bluthochdruck und in den ersten Phasen einer Schwangerschaft sollte der gelbe Enzian nicht angewendet werden.

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