Ultraschall, eine Form mechanischer Energie, findet in der medizinischen Therapie vielfältige Anwendungsmöglichkeiten. In diesem Artikel werfen wir zunächst einen Blick auf die physikalischen Grundlagen und erklären, wie die Schwingungen durch das Gewebe wandern und heilende Prozesse anstoßen können. Eine erste konkrete Anwendungsmöglichkeit wird anhand der Behandlung des Piriformis-Syndroms vorgestellt. In einem zukünftigen Artikel werden wir weitere spannende Einsatzgebiete beleuchten, die das Potenzial der Ultraschalltherapie noch umfassender aufzeigen.
➥ Autor: Barbara M. Thielmann
Die Rolle des Ultraschalls in der medizinischen Therapie
Ultraschall ist eine Form von mechanischer Energie, das heißt, es handelt sich um Schwingungen oder Vibrationen, die sich durch ein Material oder Gewebe fortbewegen. Im Gegensatz zu elektrischen Therapien (wie z.B. TENS) wird Ultraschall oft fälschlicherweise zur Elektrotherapie gezählt, gehört aber tatsächlich zu den physikalischen Therapieverfahren.
Schwingungen, die mit steigender Geschwindigkeit (also Frequenz) auftreten, nennt man Schallenergie. Diese Schallwellen bestehen aus Bereichen, in denen das Material abwechselnd zusammengedrückt (Kompression) und wieder gedehnt (Verdünnung) wird. Der Bereich des Schalls, den wir Menschen hören können, reicht von etwa 16 Hz (16 Schwingungen pro Sekunde) bis zu etwa 15.000 bis 20.000 Hz (das ist bei Kindern und jungen Erwachsenen besser ausgeprägt). Frequenzen über dieser Grenze nennt man „Ultraschall“. In der Therapie wird typischerweise Ultraschall mit Frequenzen zwischen 1 und 3 Megahertz verwendet (1 MHz = 1 Million Schwingungen pro Sekunde).
In Deutschland ist die Anwendung von Ultraschall in manchen medizinischen Bereichen noch nicht so weit verbreitet. Je mehr Menschen jedoch wissen, dass diese sanfte und nicht-invasive Therapiemethode existiert, desto häufiger können sie bei Ärzten und Therapeuten danach fragen.
Wie funktioniert Ultraschalltherapie?
Schallwellen bestehen aus sich wiederholenden Kompressions- und Verdünnungsphasen. Diese Wellen schwingen in dieselbe Richtung, in die sie sich ausbreiten, und bewegen sich längs durch das Gewebe, das heißt, die Moleküle schwingen abwechselnd aufeinander zu und voneinander weg. Man nennt solche Wellen Longitudinalwellen. Um das besser zu verstehen: Stell dir einen Autostau vor, bei dem sich eine Verzögerungswelle durch die Autos bewegt, wenn sie bremsen und beschleunigen (eine 1-dimensionale Welle). Ähnlich funktionieren Schallwellen, wenn sie sich durch ein Medium wie Luft oder Körpergewebe ausbreiten.
In der Medizin wird Ultraschall eingesetzt, indem diese Schallwellen mit sehr hoher Frequenz (20.000 Schwingungen pro Sekunde) ins Gewebe geschickt werden. Diese Bewegung regt das Gewebe an und kann heilende Prozesse im Körper unterstützen, ohne dass dabei Schnitte oder andere invasive Maßnahmen notwendig sind.
Wie wirkt sich der Ultraschall aus?
Die Teilchen eines Materials, die einer Schallwelle ausgesetzt sind, schwingen um einen festen Punkt, anstatt sich mit der Welle selbst zu bewegen. Wenn die Energie der Schallwelle auf das Material übertragen wird, verursacht sie eine Schwingung der Moleküle dieses Materials. Es liegt auf der Hand, dass jede Zunahme der molekularen Schwingungen im Gewebe zu einer Wärmeentwicklung führen kann. Ultraschall kann verwendet werden, um thermische Veränderungen im Gewebe zu bewirken, auch wenn die derzeitige Anwendung in der Therapie nicht primär darauf abzielt.
Das Ultraschallgerät besteht aus einem Hochfrequenzgenerator, der über ein Koaxialkabel mit einem Behandlungskopf oder einem Wandlerkreis zur Erzeugung von Ultraschallwellen verbunden ist. Es wird eine Frequenz von 1 MHz oder 3 MHz verwendet. Wenn diese variierenden Potentialdifferenzen oder Frequenzen über eine Verbindungselektrode an einem Quarzkristall angelegt werden, wird der Kristall mit der Metallfrontplatte des Behandlungskopfes verbunden. Jede Veränderung der Form des Kristalls (Kompression und Expansion) erzeugt durch den piezoelektrischen Effekt eine Ultraschallwelle.
Auch Vibration wirkt sich positiv aus
Zusätzlich zu den thermischen Veränderungen scheint die Vibration des Gewebes nicht-thermische Effekte zu haben, auch wenn wie bei anderen Modalitäten (z. B. gepulste Kurzwelle) eine geringe thermische Komponente vorhanden ist. Wenn die Ultraschallwelle ein Material (das Gewebe) durchdringt, nehmen die Energieniveaus innerhalb der Welle ab, da Energie auf das Material übertragen wird. Die Energieabsorptions- und Dämpfungseigenschaften von Ultraschallwellen in verschiedenen Geweben sind dokumentiert (siehe weiter unten Abschnitt Absorption).
Alle guten Dinge sind drei
Beim Ultraschall spielen drei zentrale physikalische Größen eine entscheidende Rolle: Frequenz, Wellenlänge und Geschwindigkeit. Diese Parameter bestimmen, wie sich die Ultraschallwellen in verschiedenen Geweben ausbreiten und welche Effekte sie erzeugen.
FREQUENZ – die Anzahl der Male, die ein Teilchen in einer Sekunde einen vollständigen Kompressions-Verdünnungszyklus durchläuft. In der Regel 1 oder 3 MHz.
WELLENLÄNGE – der Abstand zwischen zwei äquivalenten Punkten auf der Wellenform im jeweiligen Medium. In einem „durchschnittlichen Gewebe“ beträgt die Wellenlänge bei 1 MHz etwa 1,5 mm und bei 3 MHz etwa 0,5 mm.
VELOCITÄT – die Geschwindigkeit, mit der sich die Welle (Störung) durch das Medium bewegt. In einer Kochsalzlösung beträgt die Geschwindigkeit von Ultraschallwellen etwa 1500 m/s im Vergleich zu etwa 350 m/s in Luft (Schallwellen können sich in einem dichteren Medium schneller ausbreiten). Es wird angenommen, dass die Geschwindigkeit von Ultraschallwellen in den meisten Geweben ähnlich der in Kochsalzlösung ist.
Diese drei Faktoren stehen in Beziehung zueinander, sind jedoch nicht in allen Gewebearten konstant. Am häufigsten werden Durchschnittswerte verwendet, um die Ausbreitung von Ultraschall in den Geweben darzustellen. Typische Ultraschallfrequenzen von therapeutischen Geräten sind 1 und 3 MHz, obwohl einige Geräte zusätzliche Frequenzen erzeugen (z. B. 0,75 und 1,5 MHz). „Langwellen“-Ultraschallgeräte arbeiten im Bereich mehrerer 10 kHz (typischerweise 40.000–50.000 Hz), was eine deutlich niedrigere Frequenz als „traditioneller Ultraschall“ darstellt, aber immer noch außerhalb des menschlichen Hörbereichs liegt.
Ultraschall: Übertragung durch das Gewebe
Alle Materialien (Gewebe) weisen eine Impedanz (Wechselstrom- oder Scheinwiderstand) für den Durchgang von Schallwellen auf. Die spezifische Impedanz eines Gewebes wird durch seine Dichte und Elastizität bestimmt. Um eine maximale Energieübertragung von einem Medium zum anderen zu erreichen, muss die Impedanz der beiden Medien so ähnlich wie möglich sein. Im Falle der Übertragung von Ultraschall vom Generator zum Gewebe und dann durch die verschiedenen Gewebetypen kann dies natürlich nicht erreicht werden. Je größer der Impedanzunterschied an einer Grenze ist, desto größer ist die auftretende Reflexion und desto geringer ist die übertragene Energiemenge. Um das zu überbrücken setzt mal Gel ein.
Da die Durchdringung (oder Übertragung) von Ultraschall nicht in jedem Gewebetyp gleich ist, ist es klar, dass einige Gewebe zu einer größeren Absorption von Ultraschallwellen fähig sind als andere. Im Allgemeinen absorbieren die Gewebe mit dem höheren Proteingehalt in größerem Umfang, d. h. Gewebe mit hohem Wassergehalt und niedrigem Proteingehalt absorbieren nur wenig von der Ultraschallenergie (z. B. Blut und Fett), während Gewebe mit einem niedrigeren Wassergehalt und einem höheren Proteingehalt Ultraschall weitaus effizienter absorbieren. Die Gewebe können nach ihrer relativen Gewebeabsorption eingestuft werden. Die in der klinischen Praxis am besten absorbierende Gewebe sind solche mit hohem Kollagengehalt – Bänder, Sehnen, Faszien, Gelenkkapseln, Narbengewebe. Knorpel und Knochen liegen am oberen Ende dieser Skala. Hier kann es noch zu höheren Reflexionen kommen, darum wählt man andere Frequenzbereiche.
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Anwendungsbeispiel für Ultraschall: neue Behandlungsmethode für das Piriformis-Syndrom („Dry Needling-Behandlung“)
Das Piriformis-Syndrom ist eine schmerzhafte Einklemmungsneuropathie, die durch eine Kompression des Ischiasnervs unter dem Piriformis-Muskel aus strukturellen oder erworbenen Gründen verursacht wird. Das myofasziale Schmerzsyndrom ist die häufigste Ursache. Es gibt physikalische Therapiemethoden, Dehnungsübungen, Injektionstherapien und medizinische Behandlungsansätze.
Die ultraschallgesteuerte Dry Needling-Behandlung ist eine andere Perspektive für die Behandlung des Piriformis-Syndroms. Sie kann sehr hilfreich sein, die ersten, sehr schmerzhaften Übungen zu überbrücken. Denn bei akutem Piriformis-Syndrom ist dem Patienten kaum Bewegungsspielraum für Dehnübungen gegeben, da die Schmerzen immens sein können.
Bei der ultraschallgesteuerten Dry Needling-Behandlung werden dünne Nadeln präzise in die betroffenen Muskelpartien eingeführt, um gezielt myofasziale Triggerpunkte zu behandeln. Der Ultraschall ermöglicht es dem Therapeuten, die Nadelplatzierung genau zu überwachen und sicherzustellen, dass die betroffenen Stellen exakt getroffen werden. Diese Technik hilft, Muskelverspannungen zu lösen, den Druck auf den Ischiasnerv zu reduzieren und somit die Schmerzen zu lindern.
Die Ultraschalltherapie bietet also nicht nur vielseitige Behandlungsmöglichkeiten, sondern stellt auch ein sich ständig weiterentwickelndes Feld dar. Während die heutige Anwendung bereits beeindruckende Resultate liefert, gibt es spannende zukünftige Entwicklungen in der Ultraschalltechnologie, die das Potenzial haben, medizinische Therapiemethoden noch weiter zu revolutionieren. In einem kommenden Artikel werden wir die neuesten Fortschritte in der Ultraschalltherapie und weitere innovative Einsatzmöglichkeiten, wie zum Beispiel das Nachwachsen von Zähnen, genauer unter die Lupe nehmen. Bleib gespannt!