Glaubt man den Etiketten und Siegeln auf unseren Lebensmitteln, so könnte man denken, jedes Produkt würde einzeln geprüft und strotze nur so vor Qualitätsmerkmalen: Um die 100 Ökolabels und Bio-Siegel wetteifern um die Gunst des Kunden und über 100.000 Lebensmittel dürfen ein Bio-Siegel tragen. Wir bringen mal ein wenig Licht in dieses dunkle Dickicht aus Bio-Siegeln.
➥ Autor: Andreas Müller-Alwart
Fangen wir doch mal so an: Die beste Bio-Ware ist in der Regel diejenige, auf der gar kein Bio-Etikett klebt, weil sie für sich selbst spricht und verpackt beim Bauernhof im Einkaufskorb landet. Und auch in Berlin-Mitte findet sich ein solches Produkt im Bio-Laden sicherlich wieder: Man muss nicht unbedingt neben einem Hofladen oder Bauernhof wohnen. Auf der anderen Seite können auch im Hofladen oder Bauernhof Bio-Siegel eine höhere Qualität anzeigen, wenn es sich z. B. um die Gütesiegel Bioland oder Demeter handelt.
Da sind gewissermaßen die Premiumetiketten der Bio-Ware, denn ein guter Nährwert im Sinne eines Vitalstoffwertgehaltes, kann ein Produkt nur innehaben, wenn der Nährboden, auf dem es erzeugt wurde, hochwertig ist. Dafür bürgen die Gütesiegel Bioland und Demeter.
Die Lage ist verwirrend und das soll sie auch sein
Wozu bedarf des denn nun vieler weiterer Siegel und Labels? Marktwirtschaftlich ist das leicht zu erklären: Würden Produktionsunternehmen und der Handel nicht auch diesen „Bio-Nischenmarkt“ bei sich im Portfolio bedienen, wo würden sie angesichts des laufenden Trends und der steigenden Nachfrage Marktanteile abgeben? Innovative, wirklich nachhaltig arbeitende Unternehmen könnten sich so im Markt positionieren und durchsetzen. Das gilt es natürlich zu verhindern. Und so staunen wir, wo denn die ganzen Mengen an Bio-Produkten auf einmal herkommen. Haben die Produktionsfirmen eine neue „Bio-Fabrik“ gebaut, um diesen Markt zu bedienen? Nein – haben sie natürlich nicht oder nur sehr selten.
Thilo Bode bringt es in seinem Buch „Die Essensfälscher“ auf den Punkt: „Montags lassen wir die Bio-Pizza über die Bänder laufen, den Rest der Woche die normalen Pizzen.“ (1) Dieses Vermischen der Produktionsprozesse dürfte so oder so überall der Fall sein. „Bio pur“ darf man also in den wenigstens Fällen erwarten – egal welches Siegel die Verpackung ziert. Auch ein tieferer Blick in die verwendeten Rohstoffe lässt so manche Bio-Illusion zerplatzen wie eine Seifenblase. Was ist denn an „Bio-Litschies“ aus Südafrika wirklich Bio? Ist es glaubwürdig, wenn Bio-Fenchel aus China kommt? Kann überhaupt etwas „Bio“ sein, das einmal um die Welt geschippert wurde? Wie viel Bio-Nährstoffe kommen da noch in Europa und bei uns auf dem Teller an? Viele Siegel schweigen sich darüber aus, heben immer nur ein, zwei „Bio-Merkmale“ hervor und lassen andere wesentliche Merkmale unter den Tisch fallen. „Dem Verbraucher ist es bei diesem Durcheinander kaum noch möglich, verschiedene Qualitätsstufen von Bio-Lebensmitteln zu unterscheiden.“ (1)
Im Siegel-Dschungel
Nehmen wir mal eine Machete und eine Taschenlampe in die Hand, fassen etwas Mut und tauchen Stück für Stück in das Dickicht dieses Siegel-Dschungels hinab.
Das EU-Logo
Häufig begegnet uns das EU-Logo – ein hellgrünes Rechteck mit weißen Sternen –, das 2010 eingeführt wurde und von dem kaum ein Verbraucher den Sinn und die Varianten kennen dürfte. Das Siegel steht für Lebensmittel, die in der EU produziert wurden, bei denen 95 Prozent der landwirtschaftlich produzierten Zutaten aus ökologischem Anbau stammen. Die Hersteller, die dieses Bio-Siegel tragen dürfen, werden mindestens einmal im Jahr von einer Kontrollstelle überprüft.
Laut den Regeln des EU-Bio-Labels darf ein Produkt nur dann „öko“ oder „bio“ genannt werden, wenn auf chemische Pflanzenschutz- und Düngemittel verzichtet wird und eine festgelegte Zahl an Tieren pro Quadratmeter nicht überschritten wird. Außerdem, wenn die Tierhaltung artgerecht ist, das Futter ebenfalls aus biologischem Anbau stammt, Antibiotika nur zu medizinischen Zwecken eingesetzt werden, keine Gentechnik eingesetzt wird oder in verarbeiteten Lebensmitteln höchstens 49 Zusatzstoffe enthalten sind. Über 100.000 Lebensmittel sind damit gekennzeichnet und das Siegel hat durchaus einen Mehrwert und einen gehobenen Qualitätsstandard. Beim Thema Tierwohl jedoch ist es nicht aussagekräftig genug (Stichwort: „Artgerechte Tierhaltung“).
Das rechteckige deutsche Bio-Siegel
Neben dem EU-Siegel steht auf vielen Produkten nach wie vor noch das sechseckige Deutsche Bio-Siegel. Während das EU-Siegel verpflichtend für Unternehmen ist, die Bio-Produkte als solche bewerben wollen, ist das deutsche Bio-Siegel freiwillig verwendbar. Es wird vom Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) vergeben und kennzeichnet Lebensmittel aus kontrolliert ökologischem Anbau. Die Kriterien für die Vergabe des Siegels richten sich nach den Bestimmungen der EU-Bio-Verordnung. Auch hier gilt: Mindestens 95 Prozent der Zutaten, die landwirtschaftlich erzeugt wurden, stammen aus ökologischem Anbau.
Naturland und GÄA e. V.
Die oben schon erwähnten Siegel von Demeter und Bioland gehen deutlich über die Kriterien hinaus, die die EU-Öko-Verordnung vorsieht. Ebenso ist dies mit den Bio-Siegeln und dem Siegel „GÄA e.V.“ Beim Naturland-Siegel, das auch Holz und Textilien als Produkte beinhaltet, werden auch die Standards für die Erzeugung und Verarbeitung einbezogen: Detaillierte Richtlinien begleiten die Produkte vom Anbau bis zu ihrem Weg in den Handel.
Beim Naturland-Siegel, das auch Holz und Textilien als Produkte beinhaltet, werden auch die Standards für die Erzeugung und Verarbeitung einbezogen: Detaillierte Richtlinien begleiten die Produkte vom Anbau bis zu ihrem Weg in den Handel.
Dem 1989 in Dresden gegründeten Verband „GÄA e. V.“ gehören 350 Bauern und 20 Unternehmen in 14 Bundesländern an. Dazu gehören spezialisierte Betriebe für Kräuter- und Beerenanbau, Gemüsebau, Saatgutvermehrung und sogar der Teichwirtschaft. Die GÄA-Richtlinien orientieren sich an hohen Standards für Bio-Siegel und gehen in vielen Punkten über die EU-Öko-Verordnung hinaus.
Biopark-Siegel
Ein weiteres, gehobenes Bio-Siegel, das allerdings eher seltener anzutreffen ist, ist das Biopark-Siegel:
Dieser Öko-Verband umfasst Landwirte, die auf Gentechnik, Chemie oder synthetische Stickstoffdünger völlig verzichten und somit geht dieses Siegel auch deutlich über die Anforderungen an das EU-Bio-Siegel hinaus. Biopark-Landwirte achten auch darauf, das Tierfutter aus betriebseigenem Anbau zu verwenden. Leistungsförderer oder Futter tierischer Herkunft sind für dieses Bio-Label verboten. Kein Wunder – bei diesen konsequenten Kriterien -, dass dieses Siegel im Supermarkt kaum anzutreffen sein dürfte.
Ecovin
Freunden gehobenen, ökologischen Weingenusses dürfte das Logo „Ecovin“ ein Begriff sein. Knapp 300 deutsche Ökowinzer garantieren mit diesem Label auf ihren Flaschen kontrolliert ökologischen Anbau nach EG-Öko-Verordnung.
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