Bindungsangst – ein Generationsproblem?

Sind wir beziehungsunfähig geworden? Diese Frage muss mittlerweile gestellt werden. Denn nie gab es so viele Probleme mit Liebe und Beziehung wie in unserer heutigen Zeit. Ehe und Beziehungen gehen immer früher auseinander. Viele wollen schon gar keine Beziehung mehr, weil „es nur weh tut“, und andere empfinden es gar schon als Stress. Denn „Verbindlichkeit“ ist nicht mehr „in“. So scheint es wenigsten. Kann man sich von der Bindungsangst befreien? Das schauen wir uns heute hier einmal genauer an.

➥ Autor: Barbara M. Thielmann

Was ist Bindungsangst?

Unter Bindung versteht man die Fähigkeit, emotionale Bindungen zu anderen Menschen aufzubauen. Sie beginnt mit der Geburt und setzt sich im frühen und späteren Leben fort. Sie ist eine Form der Beziehung zu einem anderen Menschen. Die Art der Bindung, die du zum Beispiel zu deiner Mutter oder generell zu Hauptbezugspersonen hattest, kann deine Beziehungen als Erwachsener maßgeblich beeinflussen. Aus dieser ersten Bindungsbeziehung ergibt sich ein Bauplan, der sich auf spätere Beziehungen auswirkt. Ja es gibt sogar ein Hormon, welches dazu beiträgt, dass wir bindungsfähig werden. Es nennt sich Oxytocin. Werden deine emotionalen Bedürfnisse nicht befriedigt oder beantwortet, kann dies langanhaltende Auswirkungen haben. Wir nennen das dann „Bindungsunfähigkeit“ oder „Bindungsangst“.

Bindungstypen

Es gibt vier Hauptbindungsstile. Man teilt sie ein in:

  • Sicher
  • Ängstlich-ambivalent
  • Ängstlich-vermeidend
  • Desorganisiert

Diese Bindungen können die Art und Weise prägen, wie du in deinen Beziehungen als Erwachsener reagierst und dich verhältst, insbesondere in romantischen Beziehungen. Wenn du diese Muster verstehst, kannst du lernen, was du in einer Beziehung wirklich brauchst und wie du Probleme, die Bindungsangst hervorbringen, besser überwinden kannst.

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Sichere Bindung. Menschen mit einem sicheren Bindungsstil haben Einfühlungsvermögen, können aber auch Grenzen setzen. Sie sind in ihren engen Beziehungen zufrieden und fühlen sich sicher und stabil. Als Kind gingen die Eltern wahrscheinlich gut auf deine Bedürfnisse ein und konnten ihrerseits den eigenen Stress auf gesunde Weise bewältigen. Sie hatten untereinander keine Berührungsängste und haben so auch keine Bindungsängste auf dich übertragen.

Menschen, die sichere Beziehungen haben:

  • haben ein gutes Selbstwertgefühl
  • drücken ihre Gefühle offen aus
  • können leicht um Unterstützung bitten und diese geben
  • sind gern mit anderen zusammen, werden aber nicht ängstlich, wenn sie es nicht sind

Ängstlich-ambivalente Bindung. Menschen mit ängstlicher Bindung sind normalerweise bedürftig. Sie sind ängstlich und haben ein geringes Selbstwertgefühl. Sie wollen anderen nahe sein, haben aber Angst, dass andere nicht mit ihnen zusammen sein wollen. Als Kind waren die Eltern wahrscheinlich inkonsequent. Manchmal haben sie auf die Bedürfnisse reagiert. Zu anderen Zeiten waren sie vielleicht abgelenkt oder einfach nicht da. Vielleicht hast du dich dadurch ängstlich und unsicher gefühlt und das Gefühl gehabt, dass deine Eltern nicht immer für dich da sind.

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Ängstlich-vermeidende Bindung. Menschen mit ängstlich-vermeidenden Bindungen sind das Gegenteil von bedürftig. Anstatt emotionale Nähe zu suchen, vermeiden sie es, sich mit anderen zu verbinden. Sie verlassen sich möglicherweise auf sich selbst, sehnen sich nach Freiheit und empfinden Gefühle als schwierig.

HINWEIS: in der Charaktertypologie nach Wilhelm Reich nennt man diesen Typ: schizoid (nicht zu verwechseln mit schizophren!)

Schizoide, also zum Teil abgespaltene Gefühlskörper entstehen, wenn du als Kind nicht gewollt warst oder vielleicht gerade zu einem für die Mutter ungünstigen Moment zur Welt kamst. Das müssen nicht immer dramatische Zustände gewesen sein. Es reicht schon, wenn deine Mutter. Als sie bemerkte, dass sie schwanger wurde, vielleicht noch in der Ausbildung oder im Studium war und der Zeitpunkt einfach für sie zu früh war. Ein kurzer Moment und Gedanke der Mutter reicht aus, um beim Kind das Gefühl der Ablehnung und des Nicht-gewollt-seins zu erzeugen. 

Vielleicht waren deine Eltern nicht verfügbar. Oder vielleicht haben sie deine Bedürfnisse oder Gefühle zurückgewiesen, und du hast gelernt, dich zurückzuziehen und dich selbst zu beruhigen. Dadurch hast du gelernt, Nähe zu vermeiden, oder du hast vielleicht nie erfahren, wie sich Nähe anfühlt, und vermeidest sie daher ganz.

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Desorganisierte Bindung. Menschen mit diesem Bindungsstil haben das Gefühl, dass sie keine Liebe verdienen. Sie haben in der Regel starke Ängste, die von einem Kindheitstrauma, Missbrauch oder Vernachlässigung herrühren können. Wenn du diesen Bindungsstil hast, hattest du vielleicht eine Bezugsperson, die deine Bedürfnisse ignorierte oder ein chaotisches Verhalten an den Tag legte, das dir Angst machte und dich traumatisierte. Möglicherweise hatte diese Person ihre eigenen emotionalen Probleme.

Die Auswirkungen von ängstlicher Bindung

Eine ängstliche Bindung kann es schwierig machen, mit Stress und Veränderungen umzugehen. Möglicherweise hast du Probleme mit romantischen Beziehungen, Freundschaften und anderen Beziehungen.

Ängstliche oder desorganisierte Bindungen sind eher die Folge von:

  • Trauma
  • Vernachlässigung
  • Frühe Trennung von den Eltern
  • Langer Krankenhausaufenthalt
  • Inkonsequenz bei der Erziehung und emotionalen Reaktion
  • Eine Betreuungsperson mit Depressionen
  • Eine unerfahrene Mutter

Wenn du in deiner frühen Kindheit Probleme hattest, vertraust du als Erwachsener möglicherweise anderen nicht. Du könntest eine ängstliche Bindung haben, wenn du:

  • Angst vor Gefühlen, Intimität und emotionaler Nähe hast
  • dich zurückziehen willst, wenn eine Person bedürftig wird
  • unabhängig bist und „andere nicht brauchst“
  • du die Gefühle anderer Menschen ignorierst
  • du ständige Rückversicherung brauchst
  • sehr bedürftig oder anhänglich bist
  • besessen oder übermäßig auf jemanden fixiert bist
  • dich nach Intimität sehnst, aber anderen nicht vertrauen kannst
  • du ängstlich oder eifersüchtig bist, wenn du mal nicht mit deinem Partner zusammen bist

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Es ist wichtig, daran zu denken, dass eine ängstliche Bindung nicht immer bedeutet, dass man als Kind nicht geliebt wurde. Es bedeutet, dass du nicht die emotionale Antwort erhalten hast, die du gebraucht hättest. Auch deine Persönlichkeit und andere Lebenserfahrungen können eine Rolle gespielt haben. Dieses Muster nennt man auch das „orale Charaktermuster“.

Wie du verhindern kannst, dass ängstliche Bindungen deine Beziehungen beeinträchtigen

Lerne Kommunikationsfähigkeiten. Wenn du lernst, deine Gefühle auszudrücken und um das zu bitten, was du brauchst, kannst du in deiner Beziehung klarer werden. Das Erlernen nonverbaler Signale wie Körperhaltung und Gesten kann dir helfen, die Gefühle deines Partners besser zu deuten. Das wiederum wird dir helfen, angemessener zu reagieren.

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Nutze die Möglichkeit der Therapie. Wenn du Probleme mit deinen bzw. in deinen Beziehungen hast, solltest du mit einem Therapeuten sprechen. Eine Therapie kann dir nämlich helfen, einige frühere Kindheitserfahrungen zu verarbeiten, die zu diesem Beziehungsmuster geführt haben. Da würde sich zum Beispiel ein Therapeut anbieten, der sich mit Reich ’scher Charaktertypologie auskennt. Auch Psychokinesiologie (Klinghardt) in Verbindung mit Mentalfeldtherapie ist sehr zu empfehlen.

Versuche auch, Freundschaften mit Menschen aufzubauen, die ein hohes Selbstwertgefühl haben, gute Grenzen setzen und eine sichere Bindung haben. So befreist du dich auch leichter von deinen Bindungsängsten.

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Die in diesem Beitrag enthaltenen Informationen können die Beratung durch einen Arzt nicht ersetzen – sie sind keine medizinischen Anweisungen. Die Informationen dienen der Vermittlung von Wissen und können die individuelle Betreuung bei einem Sprechstundenbesuch nicht ersetzen. Die Umsetzung der hier gegebenen Empfehlungen sollte deshalb immer mit einem qualifizierten Therapeuten abgesprochen werden. Das Befolgen der Empfehlungen erfolgt auf eigene Gefahr und in eigener Verantwortung

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