Die Grünen möchten wieder einmal neue, strengere Regeln und Höchstmengen für Vitamine und Mineralien und andere Nahrungsergänzungsmittel durchsetzen. Sie fordern eine Positivliste für zugesetzte Substanzen, eine Meldestelle für Nebenwirkungen und Wechselwirkungen mit Medikamenten und dass auf den Packungen gut sichtbare Warnhinweise angebracht werden müssen. Weiterhin solle es EU-weit einheitliche Höchstmengen der Wirkstoffe in den Präparaten geben. Dies und mehr steht im Antrag der Grünenfraktion zu lesen und das war schon 2020. Auch 2021 wurde dieser Antrag wiederholt abgelehnt.
➥ Autor: Niki Vogt
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Die Grünen holen zum neuen Anlauf aus
Bisher war diesem Anschlag auf die eigenverantwortliche Gesundheitsvorsorge der Bürger kein Erfolg beschieden. Aber nun holen die Grünen zum neuen Anlauf aus.
Man muss dazu wissen, dass Nahrungsergänzngsmittel (NEM) dem Gesetz nach Lebensmittel sind und durch die EU-Richtlinie 2002/467EG geregelt werden. Das ist auch nicht falsch, denn, wie die Bezeichnung dieser Produkte schon besagt, sollen sie die Ernährung ergänzen und nicht ersetzen. Sie sind auch keine Arzneimittel.
Einerseits wäre es begrüßenswert, wenn Neppern, Schleppern und Bauernfängern mit überteuerten, angeblichen Wundermitteln zum Abnehmen, zum Supermann-Muskelaufbau oder für die Potenz, die sogar ein bisweilen nicht unbeträchtliches Schadenspotenzial bergen, das Handwerk gelegt würde. Andererseits entartet dieser Feldzug in eine Kampagne eben auch zum Kampf gegen sehr hilfreiche und gesunde Nahrungsergänzungen.
Nahrungsergänzungsmittel seien kein Ersatz
Nahrungsergänzungsmittel seien kein Ersatz für eine gesunde Ernährung ist das Argument, mit dem man die Anwendung von Vitaminen, Mineralien, Spurenelementen und sekundären Pflanzenstoffen, etc., möglichst eindämmen will. Das wäre zutreffend, wenn es überall genügend wirklich natürliche und gesunde Lebensmittel mit diesen Inhaltsstoffen gäbe.
Doch angesichts der oft minderwertigen Inhaltsstoffe der Lebensmittel in den Supermärkten zieht dieses Argument nicht. Ein Blick auf die Zutatenliste der abgepackten Produkte zeigt, dass der brutale Preiskampf in der Lebensmittelindustrie sich in billigen Ersatzstoffen, Geschmacksverstärkern, modifizierter Stärke, chemischen Aromen, billigen und schädlichen Fetten, Füllstoffen und Konservierungschemikalien niederschlägt.
Aber auch Obst und Gemüse sind nicht mehr die Vitaminspender, die unser Körper braucht. Die Früchte und Gemüse werden halbreif geerntet, quer über die Welt gekarrt oder geflogen, anschließend in Kühlkammern gelagert, bis sie in die Geschäfte kommen. Vor der Auslieferung werden sie mit Reifegas überströmt, damit sie gut aussehen und auf den Punkt mit der richtigen Farbe in der Obst- und Gemüseabteilung liegen und Frische signalisieren. Vitamine, sekundäre Pflanzenstoffe und andere gesundheitlich wertvolle Bestandteile sind darin kaum noch zu finden.
Foto: @vinnikava via envato.elements
Das Geschäft mit Nahrungsergänzungsmitteln
Wer sich informiert, kann die Defizite mit Vitamin- und Mineralstoffpräparaten ausgleichen. Und genau das versuchen ausgerechnet die Grünen jetzt auch noch zu verhindern. „Das Geschäft mit Nahrungsergänzungsmitteln, die wenig bis keinen Nutzen haben und schlimmstenfalls bei einer Überdosierung sogar gefährlich sind, muss endlich reguliert werden“, sagte schon 2020 die damalige ernährungspolitische Sprecherin der Grünen-Bundestagsfraktion Renate Künast.
Schon seit einigen Jahren wird in den Hauptmedien das Feld dafür bereitet, dass Nahrungsergänzungsmittel (NEM) mit Vorsicht zu genießen sind und eine Regulierung dringend nötig sei. Diese Warnungen machen es den Grünen natürlich leicht, Zulassungspflichten und Höchstdosierungen für solche NEM zu fordern.
Die von der Grünen Partei anvisierten Höchstmengen können zu völlig unterdosierten – und daher wirkungslosen, aber immer noch teuren – Nahrungsergänzungsmitteln auf dem Markt führen. Was die von der DGE empfohlenen Höchstmengen der Wirksubstanzen betrifft, wissen die meisten Mediziner und Wissenschaftler, dass diese jetzt schon in vielen Fällen viel zu tief angesetzt sind.
Die Macht der Pharmaindustrie
Das könnte nicht nur vielen Menschen schaden, sondern auch einen ganzen Geschäftszweig ruinieren. Es gibt Stimmen, die vermuten, hier gehe es im Grunde darum, den Interessen der Pharmaindustrie zu dienen. Gesunde Menschen sind keine guten Patienten. Schäden durch Mangelernährung bei einem Überangebot kalorienreicher Nahrung schaffen Patienten und lebenslange Pharma-Kunden.
Überdies haben die NEM sowieso schon mit dem Problem zu kämpfen, dass sie keine „Wirkung“ versprechen dürfen, denn das dürfen nur Medikamente der Pharmaunternehmen. Man schleift also bei den Herstellern der Nahrungsergänzungsmittel penibel an den Werbe- und Verpackungstexten, um nicht mit den Gesetzen in Konflikt zu geraten, aber dennoch einen Hinweis zu geben, in welcher Weise der Packungsinhalt „die Gesundheit fördert“. Bei homöopathischen Mitteln darf noch nicht einmal das darauf stehen. Wer nicht genau weiß, was er braucht und will, muss sich an einen kundigen Apotheker oder homöopathischen Arzt wenden.
Schwere Fälle von Medikamenten-Nebenwirkungen
Es ist auch schwer nachvollziehbar, woher dieser Eifer der Grünen stammt, den Menschen die Verantwortung für die eigene Gesundheit zu entziehen. Ein Schutzbedürfnis besteht hier nicht. Menschen, die durch Einnahme von NEM krank geworden – oder gar gestorben sind, muss man mit der Lupe suchen. Einen Fund dazu gibt es: In Großbritannien hatte ein Mann über lange Zeit täglich dreimal 50.000 Internationale Einheiten Vitamin D eingenommen. Eine unvorstellbare Menge. Dennoch ist er nicht daran gestorben, sondern wurde acht Tage lang im Krankenhaus behandelt und konnte dann nach Hause gehen.
Dagegen sterben jedes Jahr viele Tausende Menschen an den Nebenwirkungen der Medikamente oder an Falschverschreibungen. Der Spiegel schrieb im Oktober 2000 unter dem Titel „Nebenwirkungen: Bis zu 16.000 Medikamenten-Tote pro Jahr“:
„Wie die Wissenschaftler berichten, gebe es in Deutschland mindestens 200.000 schwere Fälle von Medikamenten-Nebenwirkungen pro Jahr. Davon endeten 12.000 bis 16.000 tödlich, so der ehemalige Direktor des Instituts für Klinische Pharmakologie am Zentralkrankenhaus Bremen, Peter Schönhöfer. (…) Nach Angaben von AgV-Gesundheitsreferent Thomas Isenberg gehen Studien zufolge jährlich etwa 300.000 Krankenhaus-Einweisungen in Deutschland auf das Konto von Neben- und Wechselwirkungen von Medikamenten. „Im vergangenen Jahr wären dies immerhin rund sechs Prozent aller Einweisungen mit Folgekosten von bis zu 1,5 Milliarden Mark“, so der Verbraucherschützer.“
Dagegen gab es – laut Spiegel – „nur“ 7.772 Verkehrstote
In der EU sterben ca. 200.000 Menschen an den Wirkungen und Nebenwirkungen von Medikamenten. Verbote und Regulierungen von Nahrungsergänzungsmitteln ist daher Aktivismus an der falschen Stelle, unnötig, schädlich und eine unverantwortliche Einmischung in das – gerade von den Grünen doch so hochgeschätzte – Selbstbestimmungsrecht.