Ingwer – Mythos oder Wunderknolle?

Die einen lieben sie – die anderen nehmen Reißaus, wenn sie von der Ingwerknolle hören. Die einen schreiben der Knolle fantastische Eigenschaften zu, andere bezweifeln so manchen Effekt, den Ingwer bewirken soll. Welt der Gesundheit hat da mal ein wenig näher hingesehen und natürlich gibt es auch wieder Tipps für Rezepte mit der Wunderknolle.

➥ Autor: Andreas Müller-Alwart

➥ Meine Buchempfehlung: Ingwer – Gesundheit & Genuss

In China wird der Ingwer über 2.000 Jahren als Heilpflanze verwendet und ist als solche bestens bekannt. In Europa hingegen gilt der Ingwer lediglich als ein Nahrungsmittel – allerdings, so meint Prof. Dr. Huber, der Leiter des Zentrums für Naturheilkunde in Freiburg (1), durch mit heilenden Eigenschaften. Über 150 verschiedene Inhaltsstoffe enthält eine Ingwerknolle und viele ätherische Öle. Die Gingerole sind die „Scharfmacher“ im Ingwer. Wer eine frische Ingwerknolle aufschneidet, dem schwebt eine feuchte Wolke der ätherischen Öle mit dem typischen Ingwerduft entgegen: Eine Duftmischung aus Zitrone, etwas nach frischem Gras riechend und natürlich der Schärfe der Gingerole.

Wobei ist Ingwer erwiesenermaßen heilsam?

In erster Linie ist vom Ingwer bekannt, dass er gegen Übelkeit und Brechreiz hilfreich ist. Wer z B. das Autofahren nicht so gut verträgt, kann mit Ingwerbonbons oder -pastillen dem entgegenwirken. Ingwersäfte oder -tees sind nicht so gut geeignet: Die Flüssigkeit könnte die Übelkeit wieder verstärken. Auch bei so genannter Schwangerschaftsübelkeit hilft Ingwer und kann auch ohne Bedenken angewendet werden. Selbst bei einer mittelschweren Übelkeit, die als Begleiterscheinung bei einer Chemotherapie verursacht wird, kann Ingwer lindernd helfen. Meist reicht aber Ingwer nicht aus, um die Übelkeit einer Chemotherapie komplett zu lindern.

Wieder einmal ist es erstaunlich, dass man sich in Europa schwer damit tun, natürlich wirksame Nahrungsmittel weiter zu erforschen, um weitere Anwendungsgebiete zu finden: „Angesichts des relativ guten wissenschaftlichen Erkenntnismaterials ist es erstaunlich, dass bisher nur zwei Indikationsgebiete eine arzneiliche Zulassung erlangt haben: Gegen Symptome der Reisekrankheit (Erbrechen) und gegen Verdauungsbeschwerden“ meinen die Autoren des Buches „Ingwer – Gesundheit & Genuss. Gewürze mit einem so breiten pharmakologischen Wirkprofil, wie es der Ingwer besitzt, könnten so manches Arzneimittel ersetzen.“ (2)

Foto: @micens via envato.elements

Als Vorbeugung gegen Erkältungen ist die Wirkung von Ingwer belegt. Er hilft vor allem gegen Rhinoviren. Also bei Schnupfen. Hier gilt als bewährtes Standardrezept, ein paar dünn aufgeschnittene Scheiben Ingwer, mit heißem Wasser aufzugießen, dazu nach Belieben etwas Honig und frisch gepresste Zitronen verrühren. Dieses Getränk ist nicht nur wärmend, sondern kann das Immunsystem unterstützen. Ingwer wirkt auch verdauungsfördernd: Speisen werden bekömmlicher, Blähungen und andere Verdauungsprobleme werden gelindert. Nicht umsonst werden in der traditionellen asiatischen Küche oft Knoblauch und Ingwerknolle gemischt. Dazu findet ihr übrigens ein leckeres, vegetarische Rezept, passend zur Jahreszeit, mit Spinat, Ingwer, Knoblauch und Curry auf unserem Portal – eine indische Spinatsauce. Apropos: Wo wir es gerade von der Verdauung haben:

Was ist ein Mythos, der dem Ingwer angedichtet wurde?

Verdauungsfördernd ist der Ingwer schon, aber (leider) in keiner Weise ein Geheimtipp zum Abnehmen: Ingwer hilft nicht beim Abnehmen. Und eine Mär ist es – zum Glück – auch, wenn behauptet wird, der Ingwer sei blutverdünnend. So manche Operation und mancher Zahnarztbesuch würden schlimm ausgehen, wenn das so wäre. Sicherlich würden wir es auch vor einer Operation erfahren, wenn Ingwer blutverdünnend wirken würde, denn natürlich müssten wir Ingwer dann einige Tage vor einer Operation absetzen, so wie medikamentöse Blutverdünner auch. Wo wir gerade beim Blut sind: Blutdrucksenkend wirkt Ingwer bedauerlicherweise auch nicht. Es mag hilfreich sein, wenn der Körper Unterstützung bei der Verdauung erhält und dadurch vielleicht der Blutdruck sinkt, aber die Inhaltsstoffe der Ingwerknolle selbst sind enttäuschenderweise nicht geeignet, um den Blutdruck zu senken.

Auf die Qualität kommt es beim Ingwer an

Eigentlich ist der Ingwer übrigens keine Wurzel(knolle), sondern ein Rhizom, denn im Gegensatz zu einer Wurzel, ist das Rhizom der gesamte Wurzelstock der Pflanze. Ingwer könnt ihr tatsächlich gut in einem größeren Topf oder Kübel selbst vermehren, dazu müsst ihr nur einen sinnvollen Teil – z. B. ein fünf Zentimeter großes Stück – des Rhizoms eingraben und ständig leicht feucht halten. In ein paar Monaten haben sich die Knollen dann schon vermehrt. Ihr könnt sehr gut die Schalen mitverwenden – das setzt aber natürlich voraus, dass man eine gute Bioqualität.

Bei Kauf von Ingwer ist Bioqualität sofort zu erkennen. Die Rhizome aus dem Bioanbau sind elastischer beim Drücken, sie sind glänzender, wirken feuchter und vor allem sind sie deutlich kleiner als die Ware, die aus Übersee (überwiegend China) herangekarrt wird. Die beste und leckerste Ingwerrhizome kommen übrigens aus Deutschland, z. B. von der Insel Mainau am Bodensee, und machen aus dem Ingwer schon fast eine Delikatesse.

Leider wird auch bei der Ingwer-Vermehrung und weiteren Produktion hier und da mit Chemie hantiert. Je weniger stark ein Produkt verarbeitet wurde, desto sicherer kann man sich deswegen auch hier sein, eine gute Qualität vorzufinden. Shots, Pastillen, Bonbons, Salben usw. lassen sich gut selbst herstellen: Das Internet ist voll mit entsprechenden Rezepten. So lohnt es sich sicherlich, vieles selbst zu machen. Einige Lieferanten/Hersteller von Ingwer schwefeln die Rhizome, um sie bleicher, geschönter aussehen zu lassen. Leider ist das nicht im Verkauf erkennbar. Bei regionalen Produkten kann man davon ausgehen, dass diese nicht behandelt wurden – wozu auch? Sie haben keine großen Lieferwege hinter sich und Ingwer ist nur zu bestimmten Zeiten in Deutschland erhältlich. Die Rhizome der Insel Mainau sind bspw. nur im September/Oktober lieferbar.

Verschiedene „Anwendungen“

Frisch, gerieben darf er eigentlich überall in der Küche hinzugegeben werden, sofern er auch vom Geschmack her Wohlwollen erzeugt. Frisch gepresster Saft enthält die geballte Ladung der ätherischen Öle. Bei Saftmischungen im Laden ist der Ingweranteil oft gering. Ingwershots sind, sofern man gute Qualität mit einem hohen Ingweranteil erhält, recht hochpreisig. Da erscheint es oft sinnvoll, selbst Ingwer in Scheiben zu schneiden und aufzugießen.

Bei Ingwertees muss man ebenfalls aufpassen, wie hoch der Anteil von Ingwer ist. Oft ist sehr wenig Ingwer enthalten, weil man dem Tee gerne im Rahmen des Trends zu Ingwer besser verkaufen möchte. Von der Firma Yogi(-Tee) gibt es einen hoch konzentrierten Tee: Der hat dann allerdings wiederum seinen Preis. Da man in die meisten Teesorten ebenfalls ein paar Ingwerscheiben hineinschnippeln kann, die gut zum Teegeschmack passen können, reicht das oft aus. Einzig Kräutertees und Ingwer harmonisieren oft nicht so gut miteinander. Übrigens: Du kannst meistens die Ingwerscheiben noch ein weiteres Mal aufgießen. Der Geschmack des Ingwers ist dann immer noch wahrnehmbar, aber die Schärfe und die Heilwirkung sind dann geringer.

„Als ätherisches ÖL spielt Ingwer in der Aromatherapie eine sehr große Rolle.“ (2) Und was viele nicht wissen: Es ist ein wunderbares Hausmittel, Ingwerwickel zu verwenden. Die Wickel wirken insbesondere bei Muskelkater oder anderen Erschöpfungen, die durch intensiven Sport verursacht wurden. Dazu kannst Du den Ingwer klein schneiden und ggfs. mit einer Maschine zu einem Brei verkleinern, der dann auf ein sauberes Handtuch aufgetragen und um die betroffenen Körperstellen gewickelt wird. Einerseits wirken dann die ätherischen Öle, vor allem ist es aber die wärmende Wirkung des Ingwers, die durch die Scharfmacher, die Gingerole, ausgelöst wird. Du lässt die Wickel eine Weile ruhen und kannst dich dann über die erfrischende und belebende Wirkung freuen. Außerdem kannst du dir so den Kauf von (teuren) Wärmesalben sparen, bei denen u. U. wieder nicht erwünscht Inhaltsstoffe enthalten sind.

Foto: @klavdiyav via envato.elements

Noch ein paar andere positive Wirkungen

„Ätherisches Ingweröl wirkt gegen Herpesviren, was in einer im Jahre 2007 publizierten mikrobiologischen Untersuchung eindrucksvoll festgestellt wurde.“ (2) Es sind auch hier keine Nebenwirkungen bekannt. Da es leider einige unseriöse Meldungen dazu gibt, noch ein paar Sätze zum Thema Ingwer und Krebs. Es gibt immer wieder Meldungen er sei krebserregend, fördere Mutationen und beeinträchtige die Erbinformationen. Auf der anderen Seite gibt es exakt die gegenteiligen Meldungen, die eine Anti-Tumor-Aktivität des Ingwers beobachtet haben wollen. Fakt ist: Wissenschaftlich abschließend belegt ist bislang weder das eine noch das andere. Dass die Ingwerwurzel in der TCM (traditionellen chinesischen Medizin) seit Jahrtausenden bekannt ist und angewandt wird, sollte man bei dieser ein paar Jahre jungen Debatte bedenken.

Ein paar Rezeptideen

Kandierter Ingwer: Naschkatzen, die immer etwas Süßes für unterwegs brauchen, haben mit kandiertem Ingwer eine gute Alternative zu anderem ungesünderem Süßen. Allerdings: Für kandierten Ingwer braucht es 1,2 kg frische Ingwerknolle, 300 ml Wasser und 600 g (!) Rohrzucker. Da sollte man es mit der Nascherei nicht übertreiben. Die Zubereitung ist einfach, erfordert aber ein paar Tage Zeit: Zunächst den Ingwer schälen und in kleine Scheiben schneiden und mit etwa 100 g des Zuckers unter ständigem Rühren erhitzen, aber nicht aufkochen. Vor dem Siedepunkt vom Herd nehmen, über Nacht abkühlen und sehen lassen. Am nächsten Tag den Ingwer aus dem Topf holen und aufbewahren. Den Sirup erneut erhitzen. Erneut 100 g des Zuckers mit dem Ingwer aufkochen, wie zuvor beschrieben. Dies wiederholt man 4 Tage hintereinander. Dann ist der Ingwer vollständig kandiert, kann auf einem feinen Gitter abtropfen, abkühlen und in ein Schraubglas gefüllt werden.

Foto: @aetb via envato.elements

Schoko-Ingwer-Stäbchen: Der Autor dieser Zeilen gibt sich damit noch nicht zufrieden. Wenn du es nicht weitererzählst, hier noch ein Tipp: Du kannst nun auch die schönen kandierten Ingwerstäbchen noch ein Schokoladebad feiner Edelbitterschokolade tauchen. Diese wieder auf dem Gitter abtropfen lassen und geschützt vor anderen Naschkatzen aufbewahren.

Herzhaftes Asia-Pesto: Hier noch ein Rezept, das auch etwas für den „Mach-mal-was-Außergewöhnliches-Tag“ passen würde. Für dieses Rezept braucht ihr 2 Bund Koriandergrün, eine unbehandelte Limette, 20 g frischen Ingwer, eine Knoblauchzehe, 2 rote Chilischoten (halbiert und entkernt!), 100 g gesalzene, geröstete Cashewkerne, 70 ml Olivenöl, 4 EL dunkles Sesamöl und Meersalz. Die Zubereitung ist einfach: Korianderblätter hacken, etwas Schale der Limette abreiben, den Saft auspressen. Dann Ingwerknolle, Knoblauch und Chilischoten fein (!) hacken. Cashewkerne zugeben und alle Zutaten im Mörser zerstoßen. (Der dabei auftretende Geruch ist dermaßen appetitanregend, dass einem beim Beschreiben des Rezeptes das Wasser aus dem Munde zu fließen droht.) Nun die beiden Öle noch hinzufügen und mit dem Meersalz abschmecken. Füllst du die Paste dann in Schraubgläser, so soll sie angeblich ein paar Wochen haltbar sein. Mag sein, aber dann muss sie gut vor sich selber verstecken…

Foto: @Civil via envato.elements

Ingwer-Lassi: Viele weitere, sehr leckere Rezepte findest du in den unten angegeben Büchern und natürlich im Internet. Tipp: Wer von Euch besonders für die kalten Tage und Weihnachten richtig gute Ingwerrezepte sucht, der sollte mal Alice Hart nachsehen. Sie macht einen Ingwer-Punsch, offeriert Brownies mit weißer Schokolade und kandiertem Ingwer, hat ein Rezept für Ingwer-Bier (unfassbar lecker!) und das leckerste Rezept für Ingwer-Lassi. Das sei zum (fast) zum Schluss verraten: Du brauchst dafür 1 TL Kreuzkümmelsamen, 200 ml fettarmen Joghurt, 15 g frischen, geschälten und fein geriebene Ingwerknolle und 1 Prise Salz. Zunächst die Kreuzkümmelsamen in der Pfanne OHNE Fett rösten bis sie ihr duftendes Aroma verbreiten, dann diese Samen im Mörser zerkleinern und mit dem Joghurt, 200 ml kaltem Wasser, geriebenen Ingwer, einigen Eiswürfeln und dem Salz vermischen. Dieses Lassi ist sehr erfrischend und verdauungsfördernd.

Was sagt eigentlich Ingwer über den Menschen?

Ganz zum Schluss noch ein „psychologischer Blick“ auf die Ingwerknolle. Im wunderbaren Buch „Das Füllhorn“ beschreibt die Autorin Christiane Beerlandt die „Psychologische Symbolsprache der Nahrungsmittel“ und meint zum Ingwer: „Ingwer sagt den Menschen, er solle sich doch nicht so aufregen, hetzen oder nervös werden. (…) Wer Ingwer mag, bittet (…) meist um ‚Ruhe‘ in seinem Kopf.. Die Ingwer-Sphäre hat einen beruhigenden Einfluss auf das Nervensystem.“ (5, Seite 645) Da muss sich doch niemand wundern, wenn Ingwer in dieser hektischen, aufregenden Zeit gerade einen großen Hype erlebt. Ruhe im Kopf zu finden und sich nicht aufzuregen: Das können wir alle gerade sehr gut gebrauchen oder etwa nicht?

Quellenverzeichnis:

  1. Mythos Ingwer, Bayrischer Rundfunk
    https://youtu.be/E7TNZm4VyuE (aufgerufen 29.09.2022)
  2. Ingwer, Gesundheit & Genuss, Prof. Dr. Heinz Schilcher, Ralf Hiener, Hädecke-Verlag, 2008
  3. Verrückt nach Ingwer, 80 süße Verführungen, Alice Hart, AT-Verlag, 2011
  4. Indische Spinatsauce, Welt der Gesundheit, Andreas Müller-Alwart, 2021, https://weltdergesundheit.tv/rezept-zum-koch-was-gewagtes-tag/ (aufgerufen 29.09.2022)
  5. „Das Füllhorn“ – Psychologische Symbolsprache der Nahrungsmittel, Christian Beerlandt, Verlag Beerlands Publications BVBA, 8. Auflage 2014

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