Wir alle wissen, dass die Vorweihnachtszeit mit dem Advent und den dann folgenden Rauhnächten etwas Besonderes sind. Alte Winterbräuche begleiten uns durch diese dunkler werdenden Tage, in denen das Licht schwindet und wir uns zurückziehen, um unserem inneren Licht zu lauschen. Die Zeit der Besinnung und Regeneration. Viele Tiere halten in dieser Zeit ihren Winterschlaf. Diese Zeit der Besinnung ist in vielen Kulturen bekannt. Wir zeigen dir einige zur Inspiration für deine Zeit der Besinnung.
➥ Autor: Barbara M. Thielmann
Der Winter – eine Jahreszeit als Lehrer
Alles scheint sich durch die Verkürzung der Tage zu beschleunigen. Denn es scheint uns, dass die Zeit für all die vielen Dinge, die wir noch erledigen wollen, einfach nicht reicht. Doch halt: ist das die wahre Qualität dieser Zeit? Kaum. Das, was uns hetzen lässt ist etwas ganz anderes und es hat nichts, aber auch gar nichts mehr mit der Weisheit dieser Jahreszeit zu tun. Was wir aufführen, ist eine Konsumparty. Besessen von oktroyierten Vorstellungen.
Ein großer Irrtum, dem wir da anheimgefallen sind. Denn der Winter ist etwas ganz anderes. Und das zeigen uns die vielen Rituale und alten Winterbräuche aus den unterschiedlichsten Kulturen und Ländern.
Alte Winterbräuche: Rituale zur Verbindung mit der Natur
Die Winterzeit ist seit jeher eine Phase der Besinnung und des Einklangs mit den Zyklen der Natur. Zahlreiche alte Winterbräuche haben über Jahrhunderte hinweg ihren Platz in unterschiedlichen Kulturen bewahrt. Sie zeugen von der engen Verbindung des Menschen zur Natur und bieten auch heute noch Inspiration für Rituale und Traditionen.
Die Symbolik der Rauhnächte und des Julfestes
Die Symbolik des Julfestes und den 12 geweihten Rauhnächten ist das wohl ursprüngliche Ritual unseres Weihnachtsfestes und der „staaden Zeit“ davor. Der Brauch sich immergrüne Bäume ins Haus zu holen und sie zu schmücken war ursprünglich heidnisch und gehörte über Jahrhunderte hinweg zu den Ritualen des Julfestes. Mitten im Winter das Grün zu feiern, das immerwährende Leben, war als starke Symbolik eingebettet in weitere Bräuche. Frisches Grün als Zeichen des neuerwachten Lichtes zu Ehren gehört zu den animistischen, naturreligiösen Rhythmen der Natur entsprungen.
Die Kelten nutzten Stechpalmenzweige. Sie sollten während der Winter-Sonnenwende (Julfest) das Böse abwenden.
Der Ursprung des beliebten Mistelzweige-Aufhängens ist ebenfalls heidnisch. Misteln benutzten die Druiden in England für spezielle Kulthandlungen und die Germanen schmückten zur Jul-Zeit ihre Hauseingänge und Haustüren mit Mistelzweigen. Küsste sich ein Pärchen darunter, so sollte es den Beiden Glück und Segen bringen, und sie als Paar ein Leben lang zusammenbleiben. Der Mistelzweig ist die heilige Pflanze der germanischen Muttergöttin Frigga, die auch Göttin der Liebe ist. Besonders zur Weihnachtszeit sollte darum der Mistelzweig mit den weißen Mistel-Beeren nicht fehlen und Paare mit einem Kuss ihre Liebe zueinander bekunden und besiegeln.
Heidnische Ursprünge moderner Weihnachtsbräuche
Auch Kerzen und der Weihnachtsmann haben ihre Wurzeln in alten Winterbräuchen. Die Kerze, ein zentrales Symbol christlicher Feste, entstammt ursprünglich den Ritualen der Druiden (der Druiden-Eiche). Und auch der Weihnachtsmann ist eigentlich heidnisch. Er entspringt einem alten germanischen Mythos. Der germanische Gott Wotan (bei den Wikingern Odin genannt), der auch unter dem Beinamen „der Wanderer“ bekannt ist. Nach alten Volks-Legenden stieg er durch den Kamin, um in das Haus einzutreten, dessen Feuerstelle ihm geweiht war. So gelangte der „Wanderer“ in das schützende Haus.
Lichtfest Lucia: Alte Winterbräuche in Skandinavien
Lichtgöttin-Lucia-Fest. Auch bekannt unter dem Begriff: Schwedenfackeln. Denn in Schweden, Norwegen und Finnland ist es üblich, anlässlich des Luciafests am 13. Dezember Fackeln zu entzünden. Diese langen, mit Kerzen bestückten Holzstäbe, sollen dem Zweck dienen, die Dunkelheit des Winters zu erhellen und gleichzeitig für eine besinnliche Stimmung sorgen. Das Luciafest gehört zur Tradition älterer Sonnenwendfeierlichkeiten. Diese Art der Feierlichkeiten sind meist alle nordischen Ursprungs. Die Germanen feierten Jul (siehe oben) auch als das Geburtsfest der Sonne, in dem die Sonne durch große Räder dargestellt wurde. Brennende Räder ließ man Berghänge hinunterrollen.
Hyggelig/ Hygge: Alte Winterbräuche aus Dänemark und Norwegen
Die skandinavische Lebensart Hygge (Norwegen, in Dänemark Hyggelig) schafft in den langen, dunklen Wintermonaten eine Atmosphäre der Wärme und Gemeinschaft. Dazu gehören Kerzenlicht, Decken, Kissen, köstlicher Tee oder Glögg (eine Art Glühwein) und gute Gesellschaft. In Norwegen gehören auch noch Brettspiele dazu. Außerdem Handarbeiten im gemütlichen Kreis oder Lesen, um sich zu besinnen.
Japan: Teekultur als meditativer Winterbrauch
Die japanische Teahouse-Kultur mit der typischen Teezeremonie ist ein meditativer Prozess, bei dem Tee in einer ruhigen und friedlichen Umgebung zubereitet und genossen wird. Dies beschert uns innere Ruhe und wir lernen zum Beispiel uns während der bedachten Zubereitung des Tees auf den Moment zu konzentrieren.
Smudging: Reinigungsritual der Ureinwohner Amerikas
Smudging – Rauch für die Seele. Das Räuchern ist ein Reinigungsritual der amerikanischen Ureinwohner, bei dem der Rauch von heiligen Kräutern wie Salbei verwendet wird, um Geist, Körper und Umwelt zu reinigen. Der Rauch des weißen Salbeis entfernt negative Energien und stellt das emotionale Gleichgewicht wieder her. Der Rauch der heiligen Pflanzen hilft auch, sich mit Mutter Natur und dem Universum zu verbinden. Man konzentriert sich beim Verbrennen von Salbei oder Rosmarin auf seine Atmung und erdet sich bewusst.
Hawaiianisches Ho’oponopono: Heilung durch Vergebung
Hawaiianisches Ho’oponopono – Heilung durch Vergebung. Ho’oponopono ist eine hawaiianische Praxis der Versöhnung und Vergebung. Im Mittelpunkt dieses kraftvollen Rituals stehen die Heilung von Beziehungen und die Förderung des Selbstmitgefühls durch die Wiederholung positiver Affirmationen. Dies können z.B. Sätze wie „Es tut mir leid“, „Bitte verzeih mir“, „Danke“ und „Ich liebe dich“ sein. Durch die innere Wiederholung dieser Affirmationen können die Praktizierenden negative Gefühle loslassen und inneren Frieden kultivieren. Diese Tradition unterstreicht, wie wichtig es ist, Lasten loszulassen und achtsame Beziehungen zu sich selbst und anderen zu pflegen und das eben ganz besonders zur Zeit der Sonnenwenden.
Klang und Konzentration: Meditative Wintertraditionen
Tibetanische Klangschalen – Schwingungen der Gelassenheit. Tibetische Klangschalen bieten uns eine mystische Klangwelt, die Meditation und Selbstbeobachtung unterstützt. Diese Schalen erzeugen harmonische Töne, die Achtsamkeit, Besinnung und Heilung fördern, indem sie die Energiezentren im Körper in Einklang bringen. Die Klangwellen werden sowohl in der spirituellen als auch in der medizinischen Praxis eingesetzt und schaffen eine beruhigende Umgebung, die Stress abbaut und geistige Klarheit fördert. Ideal um sich zu „entschleunigen“.
Indisches Trataka – die Flamme der Konzentration. Bei Trataka, einer aus Indien stammenden yogischen Praxis, wird ein einziger Punkt, meist eine Kerzenflamme, angestarrt. Diese Meditationstechnik reinigt den Geist und fördert die Konzentration, indem die Aufmerksamkeit auf die ruhige Flamme gerichtet wird und anschließend die Augen geschlossen werden, um sie innerlich zu visualisieren. Diese disziplinierte Praxis hilft dabei, einen ruhigen und konzentrierten Geist zu entwickeln, was sie zu einer transformativen Ergänzung jeder Achtsamkeitsroutine macht, ganz besonders zur Zeit des abnehmenden Lichts.
Fazit: Alte Winterbräuche neu entdecken
Alte Winterbräuche erinnern uns an die Bedeutung von Einkehr, Gemeinschaft und dem bewussten Erleben der Natur. Ob durch das Entzünden von Kerzen, das Schmücken mit immergrünen Zweigen oder meditative Rituale – diese Traditionen laden dazu ein, die dunkle Jahreszeit als Phase der Besinnung und des Neubeginns zu erleben. Nutzen wir diese Zeit, um uns auf das Wesentliche zu besinnen und Kraft für das kommende Jahr zu schöpfen.