Energy Drinks erleben einen Boom: Einige Millionen Konsumenten nutzen sie täglich mehrfach und meinen, dadurch leistungsfähiger und präsenter im Alltag zu sein. Nun mehren sich die Hinweise, dass der dauerhafte Konsum – insbesondere in Verbindung mit Alkohol – schadet. Was ist drin in den Drinks, kann man sie selber machen und worauf solltet Ihr achten?
➥ Autor: Andreas Müller-Alwart
➥ VAVA-VOOM: Nahrungsergänzung, die schmeckt und gesund ist!
Wie haben wir eigentlich in den Siebziger Jahren die stressige Schulzeit und Arbeitswelt überlebt? Wir waren doch auch morgens um halb Sieben noch viel zu müde für den Aufbruch in die Schule oder zum Ausbildungsplatz und wir hatten nur eine Tasse klassischen Kaffees und dann galt es weitgehend konzentriert bis zur Mittagspause durchzuhalten. Coffee-to-go – das gab es nicht und auch keinen Kaffee am Schulkiosk. Dort galt das Motto „Milch macht müde Männer munter“ und die Ausgabe der täglichen Viertel-Liter-Ration Schokomilch folgte diesem Motto. Ein Süßigkeitenriegel (Werbespruch: „Mars ® bringt verbrauchte Energie sofort zurück“) und das beliebte Zuckerguss-Hefestreusel-Teilchen hatten die Aufgabe, uns zwischen den Unterrichtsstunden wieder zu beleben. Als besonders cleverer Insider galt, wer eine Packung Traubenzucker („Destroenergeen EXTRA“ ®) mit sich führte. Kurz vor der Prüfung eingeworfen, gab der Traubenzucker einen raschen Energieschub, der aber nach spätestens 30 Minuten zu einem noch größeren Energieabfall führte.
Heute ist alles anders
Heute gibt es den Coffee-to-go, aber der reicht scheinbar als Koffeinschub nicht mehr aus, den langweiligen Schulvormittag zu überstehen. Und so wandern vor und während der Schulzeit Heerscharen von Schülern und Auszubildenden zu einer benachbarten Energiequelle ihrer Wahl, um sich mit Energy Drinks einzudecken. Jeder zweite Drink ist dabei ein Produkt aus dem Hause Red Bull ®. 7,8 Milliarden Euro Umsatz machte Red Bull 2019 weltweit mit dem Rote-Stier-Getränk bei einem Marktanteil von knapp 50 %. Konkurrenzunternehmen Monsters konnte weltweit 4,6 Milliarden Umsatz in 2020 realisieren. (2) „Die sogenannten Energy Drinks sind alkoholfreie Getränke, die durch Ihren erhöhten Koffein- und Tauringehalt eine leistungssteigernde und belebende Wirkung haben sollen. Zu den bekanntesten Marken von Energy Drinks und Energy Shots gehören sicherlich Red Bull, Monster und Rockstar. Nach einer Erhebung vom IfD Allensbach liegt die Anzahl der Konsumenten von Energy Drinks in Deutschland im Jahr 2020 bei rund 8,55 Millionen Menschen.“ (1) Wenn 8,55 Millionen Menschen regelmäßig diese Energy Drinks konsumieren, so ist es umso wichtiger zu hinterfragen, wie gesund diese Drinks sind. Es kommt hinzu: Viele Konsumenten nehmen mehrfach am Tag solche Getränke zu sich. Wissen sie, was sie tun?
Was ist da eigentlich drin? Kann man den Drink selber mischen?
Eigentlich müssten alle Energy Drinks in etwa das Gleiche kosten, denn die Inhaltsstoffe sind durch die Bank fast identisch. De facto kosten Energy Drinks zwischen 0,69 Euro und 2,69 Euro. Was macht denn da den Unterschied aus? In erster Linie das dahinterliegende Marketing, das Narrativ, die „Energie-Geschichte“, die damit verkauft wird. Diese Geschichte beflügelt nicht nur den Konsumenten angeblich, sondern beschert dem Produzenten flugs eine andere Gewinnmarge. Wollte man einen Energy Drink selber mixen – wie Sebastian es für das ZDF vorgeführt hat (3) – so bräuchte man: Wasser – viel Wasser. Und Zucker: Viel Zucker und – wie bei Limonaden wegen der Viskosität (klebriges Limogefühl im Mund) üblich – noch Glucosesirup. Glucosesirup ist ein einfacher Zucker, der sehr rasch ins Blut geht und den Blutzuckerspiegel rasch ansteigen lässt. (Mehr Hintergründe zu diesem ungesunden Zucker in unserem Bericht). Weil so viel Zucker dann doch zu süß wird, kommt als Gegenspieler Zitronensäure ins Getränk. Sie nimmt geschmacklich etwas von der Süße weg und ist gleichzeitig auch wichtig für die bessere Haltbarkeit der Getränke. Die Kombination aus Zucker und Zitronensäure ist besonders schädlich für die Zähne – insbesondere der Zahnschmelz wird dadurch rasch angegriffen. Energy Drinks sollte man deswegen schnell runterschlucken, damit die Zähne möglichst wenig mit dieser Zucker-Säure-Kombination in Berührung kommen.
Was noch in unseren Energy Drink muss:
Für die Haltbarkeit werden dem Energy Drink außerdem oft Natron und Magnesiumcarbonat zugesetzt. Letzteres ist auch ein kleiner Energielieferant, aber in der zugegebenen Menge ohne Bedeutung. Würde man diese Masse erwärmen, erhielte man eine süße, klare Limonadenmasse, die sich „limonadig-klebrig“ im Mund anfühlt, aber nach Nichts schmeckt. Und der Energiekick fehlt natürlich auch noch. Je nach Hersteller werden jetzt noch Taurin, Guarana, L-Carnitin oder Glucuronolacton hinzugegeben. Taurin ist eine natürlich im Körper vorkommende Aminosäure, die bei Entgiftungsprozessen der Leber eine Rolle spielt, für die aber keine aufputschende Wirkung im Körper jemals wissenschaftlich nachgewiesen werden konnte. Damit nun also endlich die Energy in den Drink kommt, braucht es Koffein. Etwa 80 Gramm Koffein sind in einer Dose eines Energy Drinks enthalten, was etwa drei kleinen Dosen Cola oder einer Tasse Espresso entspricht. Die aufputschende, energiesteigernde Wirkung entsteht also durch die Kombination aus einer großen Menge rasch verfügbaren Zuckers und Koffein. 27 mg – etwa 5 Stück Würfelzucker – hat so eine Getränkedose in sich. Um unser Rezept abzuschließen, werden nun noch verschiedene B-Vitamine (B3, B5, B12, …) hinzugefügt, die in keinem Zusammenhang mit dem Geschmack oder einer Energieoptimierung des Drinks stehen.
Wo bleibt der Geschmack?
Bis hierhin hat unser Drink auch noch keinen angenehmen Geschmack. Deswegen folgen nun Aromastoffe – je nach Lust und Laune. Diese synthetischen Aromastoffe prägen dann den jeweils typischen Geschmack des Getränkes und können sehr penetrant, also sehr stark, sein. Etwas Farbe und Geschmack kann man beim Selbermischen eines solchen Drinks übrigens bereits erzielen, wenn man einfach ein paar Gummibärchen mit der Flüssigkeit zusammen zerschmelzen lässt. Das trifft den synthetischen Geschmack schon einmal recht gut. Es ist also gar kein Problem, sich so einen Drink selber zu mischen. Und wer einmal die Zutaten im großen Umfang eingekauft und ausgerechnet hat, was ihn dann so eine 250 ml-Portion Energiegetränk kostet, bekommt ein Gefühl über die Gewinnmargen, die hier bei Herstellern und Handel realisiert werden. Clevere Konsumenten würden sich das also selbst mixen und den Rest an die Freunde und Bekannten mit Gewinn verscherbeln. Beim Selbermixen hätte man auch noch die Chance, auf wohlschmeckendere Aromen auszuweichen.
Sind Energy Drinks ungesund oder sogar gefährlich?
Energy Drinks sind so gesund wie überzuckerte Limonaden gesund sind. Allein der hohe Anteil an Einfachzuckern befeuert bei regelmäßigem Konsum alle gesundheitlichen Probleme, die dieser hohe Zuckerkonsum mit sich bringt. Limonaden sind kein Getränk, das sich zum Ausgleich des Wasserhaushaltes eignet – sie sind keine Durstlöscher. Ab und an kann man eine Limonade sicherlich genießen, aber eben nicht dauerhaft. Bei Energy Drinks kommt zum Zucker eben noch das Koffein hinzu. Gegen regelmäßigen Koffeingenuss in vernünftigem Rahmen, spricht nichts. Im Gegenteil: Von Koffein sind in den letzten Jahren auch zahlreiche positive Eigenschaften bekannt geworden. Es gilt aber: Die Dosis macht das Gift. Man geht davon aus, dass bis zu fünf Tassen Kaffee für Erwachsene unproblematisch sind – nicht jedoch für Kinder, Schwangere und Menschen mit Vorerkrankungen (Bluthochdruck, Herz-Rhythmus-Störungen, Herzinfarkt). Als Merkregel gilt für Koffein bei Gesunden: 3 mg Koffein pro Kilogramm Körpergewicht pro Tag sollten nicht überschritten werden – schon gar nicht regelmäßig.
Kombination Alkohol und Energy Drink: Ultra-Power
Problematisch wird der Energy Drink, wenn er in Kombination mit Alkohol eingenommen wird, aber gerade diese Kombination ist Kult. Das liegt an der Wechselwirkung: Reiner Alkohol würde den Konsumenten rasch müde machen, aber in Kombination mit einem Energy Drink wie z. B. im Partyklassiker „Wodka Red Bull ®“, wirkt die aufputschende Wirkung dem Alkohol entgegen. Die Aufnahme des Alkohols wird in dieser Kombination fast vergessen und so besteht die Gefahr, zu viel zu konsumieren, wovon wiederum Notfallaufnahmen in Kliniken ein Lied singen können.
Der Konsum von Alkohol wird durch diese Art des „versteckten“ Konsums – ähnlich wie bei den Alkopops – außerdem verharmlost, was nichts daran ändert, dass es sich bei Alkohol um ein Zellgift handelt, dass Alkohol abhängig machen kann und dass Menschen die Kontrolle über sich selbst verlieren. Alkohol und Energy Drinks potenzieren sich nicht nur in ihren gewünschten Wirkungen, sondern natürlich auch in ihren unerwünschten Nebenwirkungen. „Der Konsum von Energydrinks zusammen mit Alkohol bei starkem episodischem Alkoholkonsum birgt ein Risiko für schwere Verletzungen, sexuelle Übergriffe, Trunkenheit am Steuer und Tod. Doch selbst nach Bereinigung um den Alkoholkonsum wiesen Studenten, die Alkohol gemischt mit Energy Drinks konsumierten, dramatisch höhere Raten an schwerwiegenden alkoholbedingten Folgen auf.“ (7)
Die Dosis macht das Gift
So sind sich die Experten einig: Die Kombination von Alkohol mit Energy Drinks sollte man meiden – ebenso den regelmäßigen, höheren Konsum der Energy Drinks. Prof. Thomas Wendt, ein erfahrener Kardiologe, erklärt, dass der ständige Energieschub, der durch die Drinks dem Körper zugeführt wird, den Blutdruck permanent oben hält. Natürlich muss das Herz dann mehr arbeiten und eine solche Dauerbelastung ist für den Körper anstrengend und führt zu schnellerem Verschleiß. Die Gefäßwände am Herzen, so die Kardiologen, verdicken sich und – langfristig – können erhebliche Leistungsbeinträchtigungen im Alltag auftreten z. B. Probleme beim Treppensteigen. Bei einem akut zu hohem Konsum können Herz-Rhythmus-Störungen, Zittern, Übelkeit bis hin zu plötzlichem Tod auftreten. Bei langfristig erhöhtem Konsum werden die Blutgefäße ständig stark belastet. Kurzum: Die Dosis macht auch hier das Gift. Sich mal einen Partyabend oder für einen Prüfungszeitraum mit Energy Drinks zu pushen, darf sein und hat bei gesunden Konsumenten keine negativen Folgen. Wer aber den Energy Drink – beginnend beim Frühstück bis zum Sonnenuntergang – fortlaufend benötigt, um sich leistungsfähig und lebendig zu fühlen, der lebt vermutlich nicht wirklich sein Leben, sondern zwingt sich zu etwas, das er im Grunde genommen gar nicht möchte. Andernfalls wäre er ja von sich aus mit Begeisterung und Elan dabei, oder etwa nicht?
Eindeutige Warnhinweise
Eindeutig sind die Ergebnisse für Schwangere, Kinder und Jugendliche. Sie sollten auf eine so hohe Zufuhr von Koffein in Verbindung mit diesen Einfachzuckern verzichten. Es häufen sich in den letzten Jahren leider auch Berichte, denen zufolge Kinder und Jugendliche mit regelrechten Vergiftungserscheinungen behandelt werden mussten (6)(7). In Kinderhände gehören diese Drinks auf keinen Fall – es gibt sogar Experten, die empfehlen, diese Drinks erst ab einem Alter von 18 Jahren freizugeben und die Warnhinweise – bezogen auf übermäßigen Konsum – erhöhen wollen – nach Machart der Warnbilder auf Zigarettenverpackungen.
Letztlich gelangen wir somit wieder an den springenden Punkt: Soll der Staat alles vorschreiben und verbieten, nur weil Menschen keine Eigenverantwortung für sich und ihre Gesundheit übernehmen? Bei Befragungen unter Schülern zeigte sich: Die wissen ganz genau, wie hoch der Zuckeranteil in den Drinks ist, wie die Drinks in Kombination mit Alkohol wirken und dass ein regelmäßiger Konsum nicht sinnvoll sein dürfte. Diesem Wissen stehen die Werbeetats der Unternehmen mit ihren brillant aufbereiteten Narrativen gegenüber, die von einem Leben voller Energie und Abenteuer berichten. Mit den hunderten Euros, die für die Energy Drinks ausgegeben werden, könnten die Jugendlichen auch selbst einen Fallschirmsprung oder einen Kick ihrer Wahl buchen, aber den gibt es natürlich nicht morgens neben der Schule beim Händler in einer Dose verpackt zu kaufen.
Quellenverzeichnis:
- Konsumenten für Energy Drinks und Energy Shots:
https://de.statista.com/themen/3326/energy-drinks/ (aufgerufen 28.07.2022) - „Wie gefährlich sind Energy Drinks“, Hessischer Rundfunk, https://www.youtube.com/watch?v=rwOn0bxkgog&list=WL&index=2 (aufgerufen 28.07.2022)
- „Extra Energy: Sebastian mixt Red Bull, Monster und Co. selber | Lege packt aus“, ZDF, https://www.youtube.com/watch?v=Ij3Su7kFuZE&list=WL&index=4 (aufgerufen 28.07.2022)
- „Energy Drink – Risiken werden verharmlost“, suchtpraevention.org, https://www.youtube.com/watch?v=CmcskQSCvH4&list=WL&index=5 (aufgerufen 28.07.2022)
- „Energy Drinks: Gefährlicher als bisher gedacht? Einfluss auf Körperfett, Gehirn, Herz & einiges mehr!“, Doktor Weigl, https://www.youtube.com/watch?v=kFTSL2CsGTQ&list=WL&index=2 (aufgerufen 28.07.2022)
- „Übermäßiger Konsum von Energy Drinks gefährlich für Kinder und Jugendliche, Deutsches Ärzteblatt, 27. Mai 2019, https://www.aerzteblatt.de/nachrichten/103410/Uebermaessiger-Konsum-von-Energy-Drinks-gefaehrlich-fuer-Kinder-und-Jugendliche (aufgerufen 28.07.2022)
- „Risks of energy drinks in youth“, National Library of Medicin https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/20926266/ (aufgerufen 28.07.2022)