Die Entscheidung, auf Kuhmilch und deren Produkte zu verzichten, ist sicherlich sinnvoll. Doch was dann? Welches Milchersatzprodukt ist jetzt für mich das richtige? Welche Produkte sind überhaupt empfehlenswert? Bei unserer Recherche war das Ergebnis überraschend.
➥ Autor: Andreas Müller-Alwart
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Schon der Milch und den Milchprodukten den Rücken gekehrt? Dann hast Du schon viel richtig gemacht, meint Mr. Raw – alias David Ekwe Ekobisse, der seine eigenen Gesundheitsprobleme durch Weglassen von Kuhmilch und Umstellung seiner Ernährung auf Rohkost gelöst hat. Seine Erfahrung teilen viele Menschen: Nachdem sie Milchprodukte aus ihrer Ernährung gestrichen haben, ging es ihnen in kurzer Zeit deutlich besser.
Du glaubst noch an die Kuhmilch?
Für diejenigen, die noch die Slogans einer Milchvermarktungskampagne kennen „Die Milch macht‘s“ und „Milch macht müde Männer munter“ und die damit jahrzehntelang konditioniert wurden, hier nur ein paar Denkanstöße:
1. Wir werden tatsächlich auch ohne die Muttermilch einer anderen Tierart groß und stark auf.
2. Die Milch ist – unterm Strich betrachtet – kein Kalziumlieferant, sondern eher ein Kalziumräuber.
3. Bezogen auf verarbeitete Milch ist folgender Vergleich hilfreich: „Melkt man eine Kuh, pasteurisiert die Milch und gibt sie anschließend ihrem neugeborenen Kalb, stirbt dieses in überschaubarer Zeit, weil die abgetötete Milch kein Leben mehr vermitteln kann“, erklärt Rüdiger Dahlke (Buch „Peace Food“, S. 121) und beschreibt auch, warum die Milch viel eher ein Kalziumräuber als Kalziumlieferant ist.
Du hast Dich von der Kuhmilch verabschiedet? Schön – was nun?
Für diejenigen, die bereits der Kuhmilch voller Überzeugung den Rücken gekehrt haben, stellt sich die Frage, welcher Ersatz in Frage kommen könnte. Die Milchlobby legt größten Wert darauf, dass diese anderen Produkte nicht „Milch“ im Namen tragen dürften: „Drink“ ist ok. Nur die Kokosmilch ist eine Ausnahme. Warum eigentlich? Der Begriff Milch darf – wie Joghurt, Sahne, Butter und Käse – laut einer EU-Verordnung (1308/2013) nur für Produkte verwendet werden, die aus dem Gemelk von Säugetieren wie Kuh, Schaf, Büffel oder Ziege erzeugt wurden. Für die Kokosmilch gilt, dass sie als Pflanzenmilch hinreichend bekannt und tradiert ist. Klingt zwar komisch, ist aber so. So haben wir Reisdrinks, Haferdrinks, Mandeldrinks und viele andere mehr. Jede Sorte hat ihre Anhänger und je nach Anwendungsbereich ist mal die eine und mal die andere Sorte angesagter. Das Angebot ist vor allem eines: Unübersichtlich bunt.
Und seit es die Milchersatzdrinks gibt, gibt es auch die Kritik an ihnen und die Warnung vor Gefahren. Allen voran:
Die Pflanzenmilch liefert kein Kalzium
Für den Kauf von Pflanzenmilch sprechen ethische und ökologische Motive (Umwelt, Tierschutz, fairer Handel) und der Wunsch, sich vegan oder vegetarisch zu ernähren. Hierzu äußern sich gleich wieder die Auguren der Ernährungsbranche: Wer nur noch Pflanzenmilch trinken würde, der habe ja ein Problem damit, zu wenig Kalzium zu sich zu nehmen. Das ist schon lange widerlegt: „Milch ist … zwar ein guter Kalziumlieferant, aber ein noch besserer Kalziumräuber“ und „Milch richtet deutlich mehr Schaden an, als sie nutzt“, weiß Beststellerautor Rüdiger Dahlke („Peace Food“ S. 94). Krebs könne die Milch forcieren, meinen nicht wenige Experten. Und völlig unsinnig, ja schädlich, seien die hocherhitzten, pasteurisierte Milch: Würde man diese einem Kälbchen geben, so würde dieses zeitnah versterben.
Viele Kritikpunkte treffen allerdings auf Milchersatzprodukte (teilweise) zu
Als die Verbraucherzentrale NRW sich mit den Produkten beschäftigte, fand sie vor allem sehr, sehr unterschiedliche Nährwerte in Milchersatzprodukte vor. Klar, denn diese hängen vom Ausgangsprodukt ab und da sind natürlich Hafer, Mandeln oder Soja völlig unterschiedlich im Nährwert ausgeprägt. Leider meinen auch die Verbraucherschützer, man solle auf Produkte mit Kalziumzusatz achten. Generell ist Vorsicht geboten wegen des Zuckergehaltes. „Ohne Zuckerzusatz“ ist nur ein Hinweis den Verzicht einer zusätzlichen Beigabe von Zucker. Viele Pflanzendrinks haben aber schon von Natur aus und produktionsbedingt einen relativ hohen Zuckeranteil. „Ohne Zuckerzusatz“ ist also auf keinen Fall gleichbedeutend mit zuckerfrei oder zuckerarm. Ebenso ist Vorsicht geboten bei Werbebotschaften wie „natural“ oder „naturell“. Diese Hinweise sind ein Garant für den Verzicht des Zusatzes von Aromen oder hinzugefügtem Zucker. Hier gleich die gute Nachricht vorab: Die Mehrzahl der Hersteller verzichtet auf Zusatzstoffe und Aromen, fast 40% setzen sie aber durchaus ein.
Grundsätzliche Themen bei Milchersatzprodukten
Zum überwiegenden Anteil bestehen die Milchersatzprodukte aus Wasser. Die Qualität des Produktes hat also per se eine starke Abhängigkeit vom verwendeten Wasser, aber über die Qualität der verwendeten Wasser erfahren wir nichts. Des Weiteren haben wir es mit einem verarbeiteten Produkt zu tun, das meist im sogenannten Tetrapack offeriert wird. Die Produkte sind auffallend und durch die Bank lang bis sehr lange haltbar. Wer heute eine Hafermilch kauft, kann sie in der Regel bis Ende dieses Jahres lagern. „Biogetränk auf Haferbasis – ultrahocherhitzt“ ist auf der Verpackung zu lesen und macht deutlich, worauf die lange Haltbarkeitsdauer basiert. „Was bleibt da wohl vom Hafer-Nährwert übrig?“ Was hilft da dann noch der Hinweis, der Hafer stamme aus Deutschland oder Österreich und aus biologischer Landwirtschaft?
Die Preise für Milchersatzprodukte schwanken zwischen etwa einem Euro pro Liter und bis zu 3 Euro pro Liter. Die Produkte sind nicht nur teurer als konventionelle Milch, weil ihre Rohstoffe teurer sind, sondern auch wegen der Steuer: Milchersatzprodukte werden nicht mit dem reduzierten Steuersatz von 7 Prozent versteuert wie die Kuhmilch, sondern mit 19 Prozent.
Die Inhaltsstoffe
Die Pflanzendrinks sind zugepflastert mit Gütesiegeln wie „vegan“, „Naturland“, EU-Öko-Siegel, Bio-Siegeln aller Art. Den zusätzlichen Fantasiebezeichnungen auf den Verpackungen sind auch kaum Grenzen gesetzt. Ein paar Beispiele: „erfrischender Geschmack“, „rein pflanzlich“, „verführerisch tropisch“, „leichter Genuss“, „lecker lieblich“, „ideal zum Kaffee“ oder „schäumt super auf“. Letztlich gibt nur ein Blick in das Kleingedruckte – in die Nährwerttabelle Aufschluss, welche Nährwerte und Zusatzstoffe enthalten sind.
Der Energiegehalt wie auch die Makronährstoffe (Fette, Eiweiße, Kohlenhydrate) unterscheiden sich erheblich – auch dies wieder in Abhängigkeit von der Hauptzutat.
- Mandel- und Kokosnussdrinks enthalten die wenigsten Kalorien, wenn sie ungesüßt sind. Sie enthalten wenig Eiweiß. Der Fettgehalt von Mandeldrinks ähnelt demjenigen der Kuhmilch mit 1,6 Gramm pro 100 Gramm. Kokosnussmilch ist mit 0,9 Gramm deutlich fettärmer.
Die Kaloriengehalte schwanken zwischen 13 und 21 Gramm. - Die Drinks aus Soja hatten im Mittel 38 Kilokalorien pro 100 Gramm und ihr Eiweißgehalt entsprach dem der Kuhmilch am ehesten. Er resultiert aus dem Pflanzeneiweiß der Sojabohnen. Bei gesüßten Sojadrinks steigt der ansonsten niedrige Kohlenhydratanteil wieder etwas.
- Drinks, die rein aus Hafer oder Reis bestehen, liefern zwischen 46 und 50 Kilokalorien pro 100 Gramm. Dies leuchtet ein, da ja Getreide die Hauptzutat ist, weswegen diese Drinks auch kaum Eiweiße enthalten. Oft wird ihnen ein Sojaanteil oder ein Pflanzenöl – z. B. Sonnenblumenöl – mitgegeben.
Da letztlich alle Produkte ultrahocherhitzt wurden, darf man bei sämtlichen Milchersatzprodukten keine Wunder bezogen auf ihren Vitamin- oder Spurenelementegehalt erwarten. Sie sind da nicht besser, aber auch nicht schlechter als die Kuhmilch. Oftmals reichern die Hersteller die Produkte zusätzlich mit Vitaminen und/oder Spurenelementen an, um ihnen einen weiteren – vermeintlichen – Mehrwert mitzugeben.
Was ist nun zu empfehlen?
Je nach eigener Ernährungssituation ergeben sich bereits aus den Zutatenlisten klare Empfehlungen: Wer Kohlenhydrate vermeiden möchte, verwendet einen anderen Milchersatz, als derjenige, der Fette vermeiden möchte. Nur Du kannst wissen, was für Dich am besten sein könnte. Besser als Kuhmilch ist ein solcher Drink auf alle Fälle. Die Kuhmilch trägt zur Übersäuerung des Körpers und zum Mineralstoffverlust bei. Aber auch Milchersatzprodukte haben ihre Tücken: Soja kann die Jodaufnahme blockieren und Hafermilch kann eine antibiotische Wirkung haben. Dennoch: Das Ziel, den in der Milch enthaltenen Eiweißbaustein Casein zu vermeiden, dem eine kanzerogene (krebserregende) Wirkung zugewiesen wird, wird vermieden.
Gleichzeitig wird auch das Ziel erreicht, die umstrittene Milchviehwirtschaft nicht weiter durch eigene Nachfrage zu unterstützen. Somit sind Milchdrinks nachhaltiger und zahlen positiv auf den Tierschutz ein. Auf der anderen Seite lassen sich bei weitem nicht alle Hersteller in die Karten schauen: Nur wenige veröffentlichen ihren CO₂-Abdruck. Diese Ökobilanz ist natürlich auch von den Zutaten und vor allem der Herkunft der Zutaten abhängig. Leider sind die Angaben dazu oft eher verwirrend oder sogar irreführend und nur bedingt relevant für eine Kaufentscheidung.
Was wäre denn eine Alternative zum Milchersatz?
Die Alternative wäre tatsächlich, sich die Pflanzenmilch selbst herzustellen. Du kommst damit – weitgehend – aus der Abhängigkeit von Fertigproduktherstellern heraus, bist nicht abhängig von vorgegebenen Zusammensetzungen, hast Nachhaltigkeit und Zuckergehalt Deiner Milch selbst in der Hand und Du hast vor allem kein ultrahocherhitztes Produkt.
Das Selbermachen ist also der letzte und konsequente Schritt für den Ausstieg aus der Milchwirtschaft. Drei Fragen stellst Du Dir jetzt sicherlich: Wann soll ich denn jetzt auch noch Milchersatz selber herstellen, wie lange hält sich dieser dann und wie aufwändig und teuer ist dieses Selbermachen? Da sind wir wieder bei unserem Mr. Raw, der selbst ein Rohkost-Restaurant hat und Bücher dazu geschrieben hat.
Und er hat für uns ein tolles Mandeldrink-Rezept:
Für ein Glas Mandeldrink (350-450 ml) nimmst Du zwei Drittel lauwarmes Wasser – wenn möglich ein gutes Quellwasser. Dann rührst Du – als wertvollen Fettträger – einen Esslöffel Kokosnussmus hinein. Im lauwarmen Wasser lässt er sich gut verteilen. Fans der ketonischen Ernährung wissen: Kokosnussmus unterstützt die Ketose. Es folgt ein Esslöffel Mandelmus und ein Esslöffel Apfeldicksaft. Alles lässt sich bestens ohne Mixer verrühren, wenn das Wasser lauwarm ist. Den Drink kannst Du nach Bedarf z. B. mit Glycin (Pulver) süßen. Glycin gibt dem Mandeldrink nicht nur eine angenehme, fruchtige Süße mit, sondern hilft auch, Giftstoffe aus dem Körper auszuleiten.
Dieser Drink lässt sich in wenigen Minuten frisch herstellen. Du kennst alle Zutaten und kannst diese jederzeit nach eigenem Bedarf und Geschmack verändern. Keines der Produkte ist stark verarbeitet oder ultrahocherhitzt. Die Kosten für diesen selbst gemachten Mandeldrink sind vergleichbar mit dem gekauften Produkt, aber der Informationsgehalt (die Struktur) der Ausgangsstoffe ist viel besser. Wichtig ist es, bei den Zutaten auf die Qualität zu achten. Kokosnussmus sollte direkt vor Ort innerhalb weniger Tage nach der Ernte erzeugt worden sein. Auch Mandelmus gibt es in verschiedenen Qualitäten, ebenso gibt es Unterschied bei der Qualität des Apfeldicksaftes. Stelle Deinen Mandeldrink am besten immer dann her, wenn Du ihn direkt trinken möchtest. Nicht ultrahocherhitzter Mandeldrink würde im Kühlschrank rasch bitter werden und nicht mehr genießbar sein.
Viel Spaß beim Ausprobieren: Hier haben wir von Bewusst Kochen noch ein Video verlinkt, in dem Du die Zubereitung ansehen kannst. Schreib gerne Deine Erfahrungen und weitere Tipps dazu in den Telegram-Chat. Du brauchst keine Milchersatzprodukte, denn diese kannst du ganz einfach zu Hause selber machen.
Quellen- und Literaturverzeichnis*:
- Marktstichprobe der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen
https://www.verbraucherzentrale.nrw/sites/default/files/2021-07/Milchersatzprodukte_Pflanzendrinks_Marktstichprobe_032021_VZNRW.pdf - Verbraucherorganisation Foodwatch zum Milchersatz: https://www.foodwatch.org/de/suche/?q=Milchersatz
- Zeitschrift Ökotest zum Milchersatz:
https://www.oekotest.de/suche?utf8=%E2%9C%93&suche=Milchersatz&commit=Suchen - Thilo Bode / „Die Essensfälscher“ / S-Fischer-Verlag 2010
- Rüdiger Dahlke / „Peace Food“ / Gräfe & Unzer 2011
+ alle Webinformationen mit Stand vom 05.12.2021