Zoonosen bei Menschen oder von Parasiten, die auf die Nerven gehen
Es klingt wie aus dem Drehbuch eines Horrorfilms, über 50% der Menschen in Deutschland sind infiziert mit Toxoplasma gondii, einer Protozoenform, die den Menschen im Grunde nur als Zwischenwirt gewählt hat, doch irgend in diesem Biotop heimische zu werden scheint.
➥ Autor: Barbara M. Thielmann
➥ Buch zum Beitrag: Das Toxoplasmose Handbuch
Ein fremdes Wesen befällt uns und übernimmt die Kontrolle über unser Gehirn. Plötzlich ändert sich unser Verhalten und wir können nichts dagegen tun, wir merken es nicht einmal.
Das Wesen ist ein mikroskopisch kleiner Einzeller, ein Parasit, mit dem Namen: Toxoplasma gondii.
Und er ist fast allgegenwärtig. Insgesamt sind rund 30 – 80% der Menschen von ihm befallen.
Jeder dritte in den USA. Fast jeder in Europa. Belgien, Frankreich und Deutschland haben die höchste Infektionsrate.
Status Quo:
„Toxoplasma gondii wird vom Menschen über die Verdauung aufgenommen, gelangt in den Blutkreislauf und wandert auch ins Gehirn, um sich dort lebenslang in Nervenzellen einzunisten“. Dr. Karl-Heinz Smalla, LIN
„Es gibt noch keine Therapie, um den Parasiten wieder loszuwerden, wenn sie das Gehirn befallen. Wer also einmal infiziert ist, bleibt das ein Leben lang“. Prof. Dr. Ildiko Rita Dunay, OvGU
Wissenschaftler vom Institut für Inflammation und Neurodegeneration der Otto-von-Guericke-Universität (OvGU) Magdeburg und vom Leibniz-Institut für Neurobiologie (LIN) – ebenfalls in Magdeburg – konnten in einer Studie nachweisen, dass der einzellige Parasit die molekulare Zusammensetzung von Synapsen im Gehirn verändert.
Was kannst du dir nun unter Toxoplasmose vorstellen?
Toxoplasmose zählt zu den häufigsten Infektionskrankheiten. Die Erreger lauern in Katzen-Kot – noch nie war die Katze so domestiziert, wie in unserer Zeit und in unseren Breiten! – können sich aber auch auf ungewaschenem Obst und Gemüse tummeln.
Sie befällt Vögel und Säugetiere – und damit auch den Menschen.
Lange Zeit galt die erstmalige Infektion vor allem für schwangere Frauen als besonders gefährlich, da die Erreger auf den Fötus übergehen und zu Schädigungen bis hin zur Fehlgeburt führen können.
Forscher konnten aber schon vor einiger Zeit nachweisen, dass sich der Parasit auch auf die Signalverarbeitung im Gehirn negativ auswirken kann.
Wer forscht und was ist über diesen kleinen Widersacher bekannt?
Es ist bekannt, dass dieser Protozoenparasit Toxoplasma gondii die Angstreaktionen auf Katzenurin bei infizierten Nagetieren dämpft. Eine solche Manipulation ist für den Parasiten in freier Wildbahn natürlich vorteilhaft und erhöht möglicherweise die Prädation durch den Endwirt von Toxoplasma, welcher die Katze ist. Studien der Universität Stanford unter der Leitung von Dr. Robert Sapolsky zum Beispiel zeigen, dass Toxoplasma bei infizierten Ratten limbische Strukturen verändert, die auf appetitliche, sexuelle Reize reagieren und ganze Bereiche neuronaler Aktivität in Regionen sexueller Anziehung umwandelt, um auf Katzenurin zu reagieren. Das deutet darauf hin, dass Wirte wie zum Beispiel Mäuse ihre natürliche Aversion auf Katzengeruch verlieren und darüber hinaus sogar noch von dem Geruch angezogen werden, für das befallene Tier ein regelrechtes Selbstmordkommando – der Feind im eigenen Haus. Nebenbei erhebt sich die Frage: wie wirkt sich eine „Angstdämpfung“ im menschlichen Organismus aus und was bedeutet das für das Verhalten des Menschen in seinen Leben, seinen Beziehungen, seinem Charakter?
Um zu verstehen, wie Toxoplasma diese Verhaltensänderungen im Gehirn des Wirts hervorruft, ist die Kenntnis der genauen anatomischen Position des Parasiten im Gehirn des Wirts erforderlich. Aus diesem Grund hat man in Stanford zu Testzwecken ein gentechnisch verändertes Toxoplasma in einer Maus verwendet, das es ermöglichte, die Position des Parasiten und die Position jedes Neurons, in das er eindrang oder einzudringen versuchte („Toxoplasma-interacted neurons“), mit einer Auflösung von einem einzigen Neuron zu verfolgen. Zuerst sah es so aus, dass es bei infizierten Mäusen große individuelle Unterschiede in der Abneigung gegen Katzenurin gab und dass die Anzahl der mit Toxoplasma interagierenden Neuronen im gesamten Gehirn diese Unterschiede nicht erklären konnte. Allerdings fand man dann heraus, dass Unterschiede in der Anzahl der mit Toxoplasma interagierenden Neuronen im Corpus striatum (Teil der Basalganglien, die zum Großhirn gehören) eine Reaktion auf den Dopamin-D2-Rezeptor-Antagonisten Haloperidol hatten, was beweisen konnte, dass Toxoplasma im infizierten Wirtsgehirn mit Dopamin interagiert.
Toxoplasmose Forschung mit Professor Jaroslav Flegr
Eine weitere Koryphäe auf dem Gebiet der Toxoplasmose Forschung ist Professor Jaroslav Flegr von der Karlsuniversität in Prag, auch er, genau wie Dr. Sapolsky, erforscht den Parasiten seit 20 Jahren.
Bei seinen Forschungen stellte Professor Flegr fest, dass auch er selbst davon befallen war. Und ebenso wie in Deutschland, war auch fast jeder Zweite in Tschechien mit diesem Erreger infiziert. Auch er fand heraus, dass die Ansteckung in der Regel unbemerkt, ohne schwerwiegende äußere Symptome, verläuft. Der Parasit dringt in den menschlichen Körper ein, setzt sich im Gehirn fest und verbleibt dort ein Leben lang. Was er dort tut, ist unklar. Flegr wie Sapolsky wissen aber mittlerweile: er beeinflusst unseren Charakter.
Das unbemerkte Eindringen erfolgt über Katzenkot, mit dem auch Katzenbesitzer beim Leeren der Katzenexkremente durch Einatmen in Verbindung kommen. Dann über den Verzehr von rohem Fleisch. Schweine und Rinder können ebenfalls die von der Katze ausgeschiedenen Zysten mit dem Futter aufnehmen. Wird das Fleisch vor dem Verzehr nicht oder nur unzureichend gekocht, wie etwa bei Mett, Tartar oder blutigem Steak, gelangt der Erreger in den menschlichen Körper. Entwarnung für Vegetarier und Veganer gibt es deswegen aber trotzdem nicht: auch Salate und Gemüse können mit den Zysten aus dem Katzenkot verseucht sein.
Eine Katze scheidet – bevorzugt in loser Gartenerde – pro Tag etwa zehn Millionen ansteckender Zysten aus, die dann über Monate hinweg infektionsbereit bleiben. Und um dem dann noch ein „Verschwörungstheoretikerkrönchen“ aufzusetzen: manch einer unkt, dass über Emissionen aus sogenannten „Chemtrails“ ebenfalls ein Cocktail aus unterschiedlichen Bakterienclustern versprüht wird. Darüber mag sich dann jeder seine eigene Meinung bilden und recherchieren ist immer empfohlen, am besten, um das Gegenteil von solchen Behauptungen zu beweisen – so kommt man oft zu erstaunlichen Ergebnissen…
Zurück zu den Ergebnissen von Dr. Flegr, der sich bei Beginn seiner Forschungen uns seinem positiven Toxoplasmosetest eine Frage stellte, nämlich:
Was macht Toxoplasma gondii mit mir?
Seitdem hat er Tausende von Menschen untersucht und festgestellt:
- Wer mit Toxoplasma infiziert ist, verhält sich anders als ein Gesunder.
- Befallene Männer befolgen weniger gern Befehle, sie sind tendenziell mißtrauischer, eifersüchtiger und introvertierter, gleichzeitig nehmen sie größere Risiken auf sich als Nichtinfizierte.
- Bei Frauen ist es eher anders herum: Sie sind freundlicher und sozialer eingestellt, nehmen weniger Risiken auf sich und sind bereitwilliger folgsam – aber: die Selbstmordrate bei infizierten Frauen ist deutlich höher!
Diese eindeutigen Zusammenhänge zwischen Parasit und Verhalten seines Wirts haben Flegr und Kollegen aus den USA, Großbritannien und Deutschland in Experimenten mit Ratten und Mäusen festgestellt.
- Toxoplasma gondii ist der am weitesten verbreitete Parasit weltweit. Immerhin sind mehr Menschen auf der ganzen Welt mit Toxoplasma infiziert, als mit dem Internet verbunden sind.
- Der primäre Überträger ist die Katze, infizierte Tiere scheiden eine Weile lang Parasiteneier, sogenannte Oocyten aus.
- Über kontaminierte Nahrung gelangen die Oocyten in den Darm von Säugetieren, Vögeln und vom Menschen.
- In diesen Zwischenwirten befallen sie Zellen, vermehren sich ungeschlechtlich, wandern durch den Körper und kapseln sich schließlich dauerhaft in sogenannten Zysten in Gehirn und Muskulatur ein. Sie können auch Laktoseunverträglichkeit verursachen!
- Auch diese Dauerformen sind infektiös.
- Die meisten Menschen stecken sich daher gar nicht an Katzen, sondern über rohes Fleisch infizierter Tiere oder ungewaschenes, mit Kot verschmutztes Gemüse an.
Gefährlicher als gedacht?
Bei gesundem Immunsystem galt die Infektion bisher als harmlos, die Symptome ähneln denen einer Erkältung und klingen schnell wieder ab. Nur schwangere Frauen wurden stets vor Toxoplasma gewarnt, da der Parasit den Embryo schädigen kann. Doch die Hinweise mehren sich, dass eine Infektion mit Toxoplasma noch ganz andere Risiken birgt: dänische Wissenschaftler haben in einer Studie mit 45.000 Frauen festgestellt, dass die Wahrscheinlichkeit für Selbstmordversuche bei Frauen mit Infektion um 50 % höher liegt als bei Nicht-Infizierten.
Schon seit einigen Jahren stehen die Parasiten auch unter dem Verdacht, Schizophrenie und Verhaltensauffälligkeiten auszulösen. Untersuchungen von Jaroslav Flegr haben gezeigt, dass Schizophrenie-Patienten mit Toxplasma-Infektion in einigen Gehirnbereichen einen Rückgang der grauen Substanz aufweisen. Und seine Untersuchung an 4.000 Rekruten der tschechischen Armee hat ergeben, dass mit dem Parasiten infizierte Männer 2,6 Mal häufiger in Verkehrsunfälle verwickelt sind als Nicht-Infizierte. In weiteren Versuchen hat Prof. Flegr herausgefunden, dass sich die Reaktionszeit befallener Menschen verlangsamt und die „gesunde Vorsicht“ wird gedämpft. Das könnte die höheren Unfallzahlen erklären und ist auch gleichzeitig eine Antwort auf die weiter oben gestellte Frage über die psychischen Auswirkungen beim Menschen.
Andere Gründe für eine Verseuchung durch Toxoplasmose
- Vergiftung (Umweltgifte wie Chlor und Quecksilber)
- Milieuveränderung (Darm/Übersäuerung)
Zu diesen beiden Punkten gibt es einen 2. Teil in dem wir dir erklären, warum dein Immunsystem möglicherweise zu schwach geworden ist, solchen Erregern die Stirn zu bieten und auch, was du tun kannst, um eine Infektion zu einem guten Ende zu bringen, sprich Ausleitung und passende Ernährung.