Du kennst sicher in Deinem Freundes- und Bekanntenkreis diese beiden Extremtypen an Persönlichkeiten: Das Blümlein, was sehr schnell das Köpfchen hängen lässt und gleich geknickt ist, wenn es mal Gegenwind bekommt, kritisiert wird oder etwas schiefgelaufen ist. Das sich kaum wieder aufraffen kann, sofort ängstlich und unsicher wird und Herausforderungen aus dem Weg geht. Aber auch das Gegenteil ist fast überall zu finden: Der Typ Panzerschildkröte. Nichts scheint dieses Naturell zu beeindrucken, nichts kann die Panzerschildkröte verunsichern, nichts verletzt sie ernsthaft, niemand bringt sie aus der Ruhe. Die stärksten Angriffe setzen ihr kaum zu und sobald der Sturm vorüber ist – Zack! Streckt sie ihren Kopf und die Beine wieder aus ihrer Rüstung und macht weiter, als wäre nichts gewesen. Beneidenswert.
➥ Autor: Niki Vogt
Resilienz ist Dein seelisches Immunsystem
Der Begriff „Resilienz“ beschreibt eine sehr wichtige persönliche Eigenschaft: Die Fähigkeit, Krisen und Niederlagen, Stress und persönliche Verletzungen bewältigen zu können, ohne psychischen Schaden oder Traumata zu erleiden. Aber auch, sich an unangenehmere Verhältnisse anzupassen, die sich nicht ändern lassen – oder zumindest für eine ganze Weile bestehen bleiben – ohne damit zu hadern, sich zu bemitleiden oder daran zu verzweifeln. Solche Menschen sind in der Lage, sich nach einem Unglück schnell wieder aufzurappeln und die Ärmel hochzukrempeln. Sie arrangieren sich mit misslichen Umständen ohne zu jammern, geben nicht auf und später trifft man sie wieder und sie haben wieder Fuß gefasst und sind guter Dinge. Denn sobald sie eine Chance hatten, waren sie wieder an Deck.
Einschnitte und starke Belastungen im Leben, wie Tod eines Partners, Scheidungen, Trennungen, verlassen werden oder gar eine Krankheit. Den Job verlieren oder starken Stress schadlos zu überstehen, besonnen und klar zu bleiben und die Kraft, wieder weiterzumachen, ja, sogar an den Herausforderungen zu wachsen, das ist Resilienz.
Das Wort stammt aus dem Lateinischen „resilire“ und bedeutet abprallen, zurückspringen. Abprallen trifft es wohl am besten. Resilienz ist Dein Regenschirm im Platzregen. Du gehst durch den strömenden Regen, bekommst sicher etwas ab, aber Du wirst nicht pudelnass und bekommst keine Erkältung. Resilienz schützt Dich vor Schaden.
Wie zeigt sich „Resilienz“?
Natürlich haben sich auch die Psychologen damit beschäftigt, was denn genau „Resilienz“ ausmacht. Dabei haben sie sechs Merkmale von resilienten Menschen identifiziert.
1) Akzeptanz der Probleme:
Sie nehmen einfach das an, was das Leben einem so einbrocken kann. Das gehört halt dazu. „Man kann eben nicht immer Sieger sein – und morgen ist ein neuer Tag, ein neues Glück und ich kriege das schon hin“ könnte man ihre Lebenseinstellung beschreiben. Sie lernen draus, stecken den Schlag weg und machen weiter. Oder wie man in Österreich so schön sagt. „Hinfallen, aufstehen, Krone richten, weitergehen.“
2) Selbstvertrauen und Optimismus:
Sie haben einen unverwüstlichen Optimismus und trauen sich auch einiges zu. Sie geben nicht auf, und wenn es „so“ nicht geht, dann eben anders. Sie sind „Stehaufmännchen“ und umarmen das Leben, auch wenn es sich wehrt. Dabei brauchen sie keine Positiv-Denken-Mantras, sondern sind sehr realistisch und wissen, „Aufgeben ist keine Option“.
3) An sich selbst glauben
Resiliente Menschen glauben an ihre eigenen Fähigkeiten und wissen die auch einzusetzen. Sie können sich selbst gut einschätzen und setzen ihre Pläne ruhig und mit Augenmaß um. Sie wissen um ihre Stärken und Schwächen und sind deshalb selbstsicher, können Krisen und Widrigkeiten selbst bewältigen und laufen nicht hilflos von einem zum anderen und wollen „ans Händchen genommen und geführt“ werden. Sie sind aber auch nicht zu stolz, konkret und zielgerichtet um Hilfe zu fragen, um damit dann selbst zum Ziel zu kommen.
4) Eigenverantwortung statt Opferlamm
Resilienz bedeutet für sie auch, ihr eigenes Verhalten zu erinnern und zu analysieren: Warum bin ich in meiner jetzigen Situation? Habe ICH einen Fehler gemacht, und wenn ja wann und warum? Ist das eine Verhaltensweise, die mich schon öfter in Schwierigkeiten gebracht hat? Wie kann ich das ändern? Habe ich Warnzeichen ignoriert? Jemandem vertraut, wo man hätte vorsichtig sein müssen? Es bedeutet aber auch, dass sie auch dann, wenn sie das Problem nicht verursacht haben, dennoch kühl und bedacht an die Lösung gehen. Jammern und lamentieren, anderen das Problem zuschieben, gehört nicht zum Verhaltensmuster resilienter Menschen.
5) Netzwerke, Freunde pflegen
Sie haben ein erprobtes Netzwerk und Menschen, die zu ihnen stehen, und daher schon halb gewonnen. Netzwerker schaffen sich das Sicherheitsnetz der Drahtseil-Akrobaten im Zirkus. Du kannst fallen, wirst aber aufgefangen. Du musst selbst wieder nach oben klettern, aber das machen resiliente Menschen dann auch. Ein solches Netzwerk setzt voraus, dass Du auch etwas für die anderen tust, wenn Du gebraucht wirst, auch proaktiv. Biete Hilfe an, mit den Ressourcen, die Du hast. Scheue Dich nicht, um Hilfe zu fragen, wenn Du sie brauchst.
6) Nach dem Wundenlecken: Lösungen entwickeln
Ja, da hast Du den Salat und nun was? Resiliente Menschen igeln sich nicht in ihrer Verletztheit ein und warten, was jetzt mit ihnen geschieht. Sie schauen um sich, welchen Weg sie jetzt gehen können, welche Optionen sich auftun, wer ihnen helfen kann. Nicht jeder neue Weg funktioniert, nicht jede Idee lässt sich umsetzen, aber vielleicht die Zehnte oder Zwölfte. Manchmal muss man mit „auch ganz okay, aber nicht die Lösung“ anfangen. Damit eröffnen sich vielleicht wieder neue Möglichkeiten, aber auch, wenn nicht, ist es erst einmal ein Behelf, der sie vorläufig über Wasser hält. Sie halten die Augen offen und suchen ihre Umgebung nach Chancen ab. Aktiviere Kontakte, knüpfe neue. Wer das tut, baut auch sein Selbstbewusstsein auf.
Trainiere Deine Resilienz!
Du bist eher der Typ, der die Dinge auf sich zukommen lässt, der schnell deprimiert und durch Probleme aus der Bahn geworfen wird? Dann verstehe und nimm auch innerlich an, dass Du niemals eine Garantie auf ein reibungsloses, bequemes Leben haben wirst. Das haben nur sehr wenige Menschen. Das Leben bedeutet Wandel und auch heftige Einschnitte, ja sogar Schicksalsschläge. Male Dir nicht immer die schlimmsten aller Unglücke aus, sondern richte Deine Energie auf Lösungen und akzeptiere die Situation … aber ändere sie! Wenn Du Probleme damit hast, Deine Gedanken von den Sorgen wegzulenken, dann versuche es einmal mit Meditation und Achtsamkeitstraining.
Wenn Du denkst, Du hast nichts, womit Du Dein Selbstwertgefühl „aufpolstern“ könntest, dann frage doch einfach mal Deinen Partner oder Deine besten Freunde, welche Stärken sie in Dir sehen. Oder erinnere Dich an schwierige Situationen, die Du – vielleicht zu Deiner eigenen Verwunderung – gut gemeistert hast. Es war wahrscheinlich nicht nur ein glücklicher Zufall. Bist Du überkritisch mit Dir selbst? Dann lass doch mal an Deinem inneren Auge vorbeiziehen, was Du geschafft hast und wie Du das damals gemacht hast.
Oft wird hier der Rat gegeben, ein „Erfolgstagebuch“ zu schreiben. Das KANN eine Möglichkeit sein. Dazu musst Du aber das, was Du geschafft hast, sehr objektiv bewerten. Weder solltest Du Nebensächliches als Leistung feiern (juhu, habe heute unfallfrei meine Wäsche aufgehängt) noch tatsächlich etwas Sinnvolles abwerten (ich habe zwar einen guten Kontakt mithilfe von Freunden vermittelt bekommen, aber daraus wird bestimmt auch nichts werden. Oder: Ich habe heute zwar endlich mein Fahrrad repariert, aber was soll mir das schon bringen?)
Ganz wichtig: Wenn Du eine Lösung gefunden hast und nun liegt es an Dir, da einzusteigen, dann triff die Entscheidung und mach es, oder verwerfe diese Lösung, wenn sie nicht die richtige für Dich ist. Wenn Du objektiv weißt, dass Du das nicht kannst und es Dich überfordern wird (Resilienz heißt nicht, sich zu viel zuzumuten!). Oder umgekehrt, wenn Dich das weit unterfordert. Aber bitte Top oder Flop. Nicht herum zaudern und hin und her schwanken, nicht Leute hinhalten, die Du Dir vergrätzt und es nachher bereust. Schlafe einmal über die Entscheidung und dann mach es oder lass es. Wenn Du das nicht tust, und die Chance ist aus der Tür, wirst Du noch tiefer in das Loch fallen, aus dem Du Dich ja gerade befreien willst.
Und noch etwas: Wenn es einen schönen Moment gibt, lass ihn in Dein Herz und Deine Seele, genieße ihn. Lass alles, was schön ist, Dich freut und berührt, tief in Dein Herz sinken. Und wenn es unangenehm ist, fahre Deine seelischen Schutzwälle hoch und gehe besonnen und rational mit der Situation um. Lass den Panik-Owei-Owei-Modus gar nicht erst anspringen. Wenn Du abends im Bett liegst, und es hilft Dir, dann kannst Du mal ein Viertelstündchen weinen und trauern. Das Ventil nimmt den Druck heraus. Aber dann geht es eben wieder weiter … with a little help of your friends.